Sei es ein seltsames Gas oder ein mysteriöser Nebel: Etwas Merkwürdiges liegt in der Videospielreihe "The Dark Pictures Anthology" immer in der Luft. Im neuesten Teil "Little Hope" verschlägt es eine fünfköpfige Gruppe nach einem nächtlichen Busunfall in das gleichnamige Örtchen mitten im Niemandsland der USA. Dass mit dem Städtchen, in dem sich ein dicker Nebel ausbreitet, etwas nicht in Ordnung ist, wird alsbald klar.

Wie auch schon sein Vorgänger "Man of Medan" ist "Little Hope" mehr interaktiver Film als ein Videospiel. Denn die spielerischen Möglichkeiten sind überschaubar. Sie beschränken sich darauf, zwischen zwei Dialogoptionen zu wählen, Gegenstände aufzuheben und im richtigen Moment Tastenkombinationen zu drücken. Das klingt zunächst nicht besonders aufregend - und wer sich ein "klassisches" Videospiel mit vielen spielerischen Elementen wünscht, wird mit der "The Dark Pictures Anthology" nicht viel anfangen können.

Doch schafft die Reihe, was nicht vielen Videospielen gelingt: Sie versetzt den Spieler tatsächlich in einen Film, dessen Handlung er beeinflussen kann, und ist verdammt kurzweilig. Die Spielstunden vergehen wie im Flug, während sich Grusel um Grusel abspielt. Kaum ist das Spiel beendet, will man auch schon wissen, wie es ausgegangen wäre, hätte man sich hier und dort doch anders entschieden. Der Wiederspielwert ist dadurch enorm hoch.

Ein derart interaktiver Film kann nur überzeugen, wenn auch die Geschichte überzeugt. Zwar werden Horror-Klischees von schwarzen Katzen, vorbeispringenden Hirschen und nachts läutenden Kirchenglocken etwas gar überstrapaziert, im Großen und Ganzen ist die Handlung aber stimmig.

Sie beginnt mit einem tragischen Prolog. Bei einem Brand wird eine Familie ausgelöscht. Was dieses Unglück mit der eigentlichen Handlung zu tun hat: Das bleibt das große Rätsel während der Geschichte. Denn gleich nach dem Brand startet das Spiel mit dem Busunfall, der die Gruppe zwingt, sich durch die die Kleinstadt "Little Hope" zu kämpfen, auf der Suche nach Hilfe.

Nichts für
schwache Nerven

Die Gruppe hat einiges an Pech, dass sie ausgerechnet in einem solch unwirtlichen Ort gelandet ist. "Little Hope" ist nämlich berüchtigt für seine Hexenprozesse, bei denen Ende des 17. Jahrhundert Menschen verfolgt und brutal ermordet wurden. Immer wieder führen seltsame Visionen die Gruppe in diese Vergangenheit zurück. Ob der seltsame Nebel in dem Ort damit zu tun hat?

Das Spiel ist nichts für schwache Nerven. Wie in einem guten Horrorfilm wird mit schaurigen Geräuschen, urplötzlichen Schreckmomenten gepaart mit lautem Quietschen in düsterer Atmosphäre gearbeitet.

Im Gegensatz zu einem Film hält sich der übliche zwischenzeitlich gewährte Spannungsabfall in Grenzen. Denn im Spiel muss man jederzeit darauf gefasst sein, ein sogenanntes Quick-Time-Event zu bestehen. Bei diesem muss in sehr begrenzter Zeit die richtige Tastenkombination auf dem Spielcontroller gedrückt werden. Verdrückt man sich, besteht die große Gefahr, dass einer der Charaktere stirbt.

Daneben sind im ganzen Spiel wichtige Hinweise für den Ausgang des Spiels verstreut. Diese zu finden, zwingt einen oftmals zu dem auch in Filmen sehr beliebten kontrainstinktiven Verhalten: Anstatt sich von einer möglichen Gefahrenquelle wegzubewegen, geht man auf diese mit Todesverachtung zu, um sie zu untersuchen.

Gruseln kann man sich in "Little Hope" nicht nur allein. Es gibt einerseits den Couch-Modus, bei dem sich bis zu fünf Spieler die Charaktere abwechselnd teilen. Andererseits gibt es auch einen Onlinemodus, bei dem zwei Spieler gleichzeitig unterschiedliche Personen spielen. Dabei können sie auch Teile des Spiels entdecken, die dem Einzelspieler verborgen bleiben.

Spieleentwickler Supermassive Games hat mit der "Dark Pictures Anthology" einen erfrischenden Weg beschritten. Andere Spiele werden mit zig gleichförmigen Nebenmissionen gerne einmal künstlich in die Länge gezogen. Das macht es möglich, mit einer Spieldauer von mehr als 50 Stunden zu prahlen, verdirbt aber schnell den Spielspaß.

"Little Hope" hingegen konzentriert sich aufs Wesentliche: Das Spiel ist in fünf bis maximal sieben Stunden durchgespielt, wird dabei aber nicht langweilig. Und selbst nach Absolvierung macht es Lust, es erneut zu spielen, und sei es nur, um herauszufinden, wie die Geschichte ausgegangen wäre, hätte man sich an der einen oder anderen Stelle anders entschieden. Und so ist "Little Hope" - bei physischer Gesundheit des Herzens - ein gelungener Horrorspaß.

"Little Hope" ist für PS4, Xbox One und PC erschienen. Das Testmuster wurde der "Wiener Zeitung" vom Hersteller zur Verfügung gestellt.