Es ist der Traum so manchen Schülers. Und der Albtraum so manchen Lehrers. Computerspielen während des Unterrichts mag auf den ersten Blick nicht gerade bildungsfördernd wirken. Es gibt jedoch Wege, um Videospiele lehrend einzusetzen. Das zeigte die Online-Konferenz "Keys to Learn" des französischen Gaming-Giganten Ubisoft auf der Videoplattform YouTube.
Ubisoft steht hinter dem Blockbuster-Franchise "Assassin’s Creed", in dem eine Meuchelmörder-Gilde Jagd auf den Templerorden macht. Die zwei Teile "Origins" und "Odyssee" enthalten allerdings auch einen Modus, der ohne Intrigen, Gewalt und Blutvergießen auskommt.
Bei der "Discovery Tour" kann das antike Ägypten oder Griechenland mit der Spielfigur erkundet werden. Kämpfe gibt es dabei nicht. Stattdessen klären historische Figuren wie Julius Caesar oder Perikles über die Bedeutung des Nils für Ägypten oder die Demokratie in Athen auf. Gestaltet wurde das Programm unter anderem von Historikern.
An ihrer Schule seien diese Touren ein Hit, berichtete Judith Brisson. Sie unterrichtet Geschichte am "Collège Jean de la Mennais" im kanadischen Québec. Mehrfach schon hat sie ihre Schüler ins virtuelle Griechenland geschickt. "Ein Lehrer muss sich immer wieder selbst neu erfinden, um die Schüler zu motivieren", sagte sie. Brisson hat für die Tour Unterlagen zum Thema "Demokratie in Athen" erstellt. Darin wird einerseits erklärt, wie das Spiel funktioniert, also etwa, wie man sich mit der Figur bewegt. Anderseits sind darin auch Aufgaben enthalten. Lückentexte müssen ergänzt werden, im Spiel wartet ein Quiz, in dem etwa abgefragt wird, wer Perikles ist.
Praktisch läuft die Tour normalerweise so ab: Auf einem PC in der Schule ist die Tour installiert, die Schüler wechseln sich dann bei den Missionen ab. Aufgrund des Lockdowns ist das zwar nicht mehr möglich. Brisson hat aber eine Alternative gefunden. Per Video-Konferenz streamt sie ihren Schülern einer zuvor aufgenommene "Discovery"-Tour. Das sei zwar anders als gewohnt: "Meine Schüler haben es aber trotzdem geliebt", so die Lehrerin.
Eltern vorher
aufgeklärt
Kritik an dem Projekt hat es laut Brisson nicht gegeben. Bevor sie es gestartet habe, seien sämtliche Eltern davon informiert worden: "Ich habe sie aufgeklärt, worum es geht, dass es kein Blut und keine Kämpfe gibt", sagt sie. Daraufhin habe sie sehr gute Rückmeldungen bekommen. Auch seien die Schüler durch das Spiel "in einer irrsinnig guten Stimmung für das Lernen".
Diese Beobachtung hat auch der Historiker Maxime Durand gemacht, der für Ubisoft an der "Assassin’s Creed"-Reihe arbeitet. Wenn ein Lehrer wolle, dass seine Schüler alle pünktlich sind, müsse er ihnen nur sagen, dass im Unterricht ein Videospiel gespielt werde, sagte er. Er sieht für die "Discovery Tour" ein breites Anwendungsfeld - gerade auch während der Pandemie.
Durand erzählte vom Fall einer kanadischen Schulklasse, die sich intensiv auf ihre Reise nach Griechenland vorbereitet habe. Aufgrund des Coronavirus musste diese aber abgesagt werden. Um zumindest ein klein wenig Ersatz dafür zu finden, entschloss sich der Lehrer, mit der Klasse die virtuelle Tour nach Griechenland anzutreten. Sehr zur Freude der Schüler, bemerkt Durand.
Der Historiker sieht den Einsatz von Computerspielen im Unterricht ähnlich wie jenen von Filmen. Bei Geschichte handle es sich um ein schwieriges Fach, in dem viel Raum für Interpretationen und Kritik bleiben müsse, so Durand. So wie bei einem Geschichtsfilm könne man bei Videospielen diskutieren, wie etwas entworfen und dargestellt werde. In der "Discovery Tour" sei es etwa möglich, im Fotomodus Bilder aufzunehmen, in der Klasse zu präsentieren und dann darüber zu debattieren.
Szenario für
Mobbing-Fälle
Im Fokus der "Keys to Learn"-Veranstaltung stand auch das Baukastenspiel "Minecraft", in dem sich von kleinen Dörfern über Städte bis hin zu Fantasylandschaften alles bauen lässt. Deirdre Quarnstrom, die bei Microsoft für "Minecraft" zuständig ist, schilderte, dass das Spiel in Schulklassen auf verschiedenste Weise genützt worden sei.
Kommt es in einer Klasse zu Mobbing-Fällen, kann ein Szenario gespielt werden, in dem zwei verfeindete Dörfer ihre Differenzen überwinden müssen. Auch geschichtliche Ereignisse können in "Minecraft" nachgebaut und nacherzählt werden. Und nicht zuletzt ermöglicht das Spiel Schülern, in der Pandemie gemeinsam an Projekten zu arbeiten.