Manche Menschen sind einfach böse. Oder wie kann es sonst sein, dass zwei verängstigte, liebe Kinder von einem groben Schlächtling unnachgiebig gejagt werden? Und zwar mit dem Gewehr durch den dunklen Wald. Jedes Mal, wenn der Finsterling abgehängt scheint, taucht er erneut auf. Ist dann eigentlich, umgekehrt, ein freudiger Jauchzer böse, wenn es die zwei Kids letztlich doch schaffen, ihn ihrerseits mit einer Flinte niederzuballern?

"Little Nightmares II" ist gruselig. Gut, der Name an sich ist natürlich irgendwie Programm und düstere Sequenzen gepaart mit Horror sind zu erwarten. Trotzdem mag es für manch einen verstörend sein, wenn sich die kleine Spielfigur durch Gedärme geschlachteter Tiere kämpfen muss und einen permanenten Todeskampf durchlebt. Dafür braucht man schon den richtigen Magen. Den haben offenbar auch viele, denn das Spiel des schwedischen Entwicklers Tarsier Studios hat eine beachtliche und begeisterte Fangemeinde.

Für zartbesaitete Menschen ist der Grusel hingegen schade. Denn zieht man von "Little Nightmares II" alles ab, was düster und Horror ist, erhält man im Kern ein intelligentes Rätsel-Adventure, das gute Unterhaltung bietet. Als Bub mit einem braunen Papiersackerl über dem Kopf kämpft man sich durch eine marode Stadt. Hilfe erhält man dabei von einem anderen Kind (Six aus dem ersten Teil), das man allerdings nicht steuern kann. Gemeinsam ist es das Ziel, die fernsehsüchtigen Bürger der Metropole vom Bann der Flimmerkisten zu befreien. Um das zu schaffen, muss man Rätsel lösen, ungesehen an Feinden vorbeischleichen, punktgenau hüpfen, rechtzeitig rennen oder die richtigen Utensilien finden und verwenden.

Das Spiel kommt ohne ein einziges gesprochenes Wort aus. Das braucht es auch nicht. Die großartig inszenierte Umwelt, die packende Musik und effektive Geräuschkulisse erzählen die Geschichte von alleine, während mit Finesse Kritik an unserem Fernsehkonsum transportiert wird.

Es gibt natürliche zahllose Spiele, bei denen noch viel schlimmere Gewaltorgien gar nicht erst der Rede wert sind. Doch bei "Little Nightmares II" ist es der Kontrast, der das Grauen ausmacht. Auf der einen Seite die kleinen Kinder, die einander in schweren Momenten geradezu rührend bei der Hand nehmen, auf der anderen Seite verzerrte Suchtmenschen in einer bösen Welt.

Während der Horror Geschmacksache ist, ist die Spieldauer objektiv kurz. Grundsätzlich benötigt man keine zehn Stunden, um den Albtraum durchzuspielen. Dafür kostet das Spiel mit knapp über 30 Euro nicht einmal halb so viel wie so mancher großer Titel.

Ob es einen dritten Teil von "Little Nightmares" geben wird, steht in den Sternen. Sicher dürfte jedenfalls sein, dass das Entwicklerstudio Tarsier Studios nicht daran beteiligt sein wird. Die Schweden haben bereits verkündet, neue Wege gehen zu wollen. Die Marke "Little Nightmares" gehört allerdings dem japanischen Videospielunternehmen Bandai Namco Entertainment. Dieses wiederum erklärte sein Interesse daran, das Franchise in Zukunft weiter auszubauen.

"Little Nightmares II" ist für PC, Playstation, Xbox und Switch erschienen. Das Testmuster wurde der "Wiener Zeitung" vom Publisher zur Verfügung gestellt.