Lange gefackelt wird nicht im Videospiel "Resident Evil Village". Innerhalb der ersten Spielstunde verliert Hauptfigur Ethan Winters nicht nur ein paar Finger seiner linken Hand. Beinahe wird er von Monstern zerrissen, messerscharfen Fallen zerschnippelt und pubertierenden Vampiren ausgesaugt.
Wege, um zu Tode zu kommen, hat der japanische Entwickler Capcom in seinem neuesten Ableger der Gruselreihe "Resident Evil" wieder reichlich eingebaut. Dennoch unterscheidet sich "Village" deutlich von früheren Teilen der Serie. Kämpfte der Spieler einst gegen Zombiehorden in Großstädten, so gleicht "Resident Evil Village" nun eher einem sehr gruseligen Märchen.
Einkehr im bösen Hogwarts
Die Handlung dreht sich erneut um Ethan Winters, der bereits im Vorgängerspiel "Resident Evil 7: Biohazard" die Titelfigur war. Dort rettete er im US-Bundesstaat Louisiana seine Frau aus einem Zombiehorrorhaus. In "Village" verschlägt es Winters mit seiner Frau und der neugeborenen Tochter Rose nach Europa. Dort wollen sie den Horror hinter sich lassen. Vergeblich.
Winters’ Frau wird von Soldaten ermordet, Rose und Ethan werden entführt. Wenig später erwacht Winters schwer benommen nach einem Autounfall wieder. Er wankt in ein Dorf, in dem die Apokalypse wütet: Monster massakrieren die Einwohner, nur um Haaresbreite kommt Ethan davon. Hängen die Entführung der Tochter und das Monstertreiben irgendwie zusammen? Das gilt es herauszufinden. Die Lösung zu dem Rätsel dürfte im eindrucksvollen Schloss warten, das über dem Dorf thront. Dort könnte auch Ethans Tochter sein. Das berichtet zumindest eine übergeschnappte Hexe, die die einzige Überlebende des Blutbades ist.
Das Schloss ist so etwas wie eine böse Version von Hogwarts. Skurrile Gestalten tummeln sich darin. So etwa ein tonnenschwerer Mann, der mehr einer Fleischmasse als einem Menschen ähnelt, oder die drei Meter große Vampirdame Alcina Dimitrescu, die genauso gerne Blut schlürft wie ihre drei Töchter. Überall sind geheime Gänge zu finden, überall spukt und gruselt es.
Immer wieder wird auch von einer seltsamen "Mutter Miranda" geredet, die offenbar der Oberbösewicht in dem ganzen Horror ist. Doch was hinter dieser mysteriösen Mama steckt, erfährt der Spieler erst deutlich später.
Natürlich trifft Ethan bei der Suche nach Rose in Kellern, auf Dächern und in Bibliotheken auf Monster. Der Kampf gegen sie ist aber nicht der eigentliche Spaß des Spiels. Das Schießen ist weitgehend ideenlos, die Gegner verhalten sich meist ziemlich ungeschickt. Spannender sind da die Rätsel: Artefakte und Schlüssel müssen gefunden werden, damit können dann neue Bereiche des Schlosses freigeschaltet werden.
Selbst geübte Spieler werden ihre Probleme mit den verwinkelten Gängen und Kellern haben. Insbesondere, wenn die durch Waffengewalt zunächst nicht besiegbare Frau Dimitrescu Jagd auf Ethan macht. Hektisches Umherirren ist hier programmiert, besonders bei den höheren Schwierigkeitsgraden.
Ein Wermutstropfen: Während Gegner wie Dimitrescu äußerst erfrischende Charaktere sind und sich vom typischen Oberzombieboss abheben, kann das über die Hauptfigur Ethan Winters nicht gesagt werden. Er ist buchstäblich gesichtslos. Wie er aussieht, erfährt der Spieler ebenso wenig wie seinen Hintergrund und seine Gedanken. Derart hölzerne Charaktere kennt man sonst nur aus der "Assassin’s Creed"-Reihe.
Originalität statt Horror
Auch wenn andere Teile der Serie noch grusliger waren, derart skurril wie "Village" war "Resident Evil" noch nie. Die Originalität lässt auch über den grauen Hauptcharakter Winters und das träge Kampfsystem hinwegsehen. Erfreulich ist auch, dass das Spiel ohne technische Probleme läuft: Das ist für Blockbustertitel heute nicht mehr selbstverständlich.
Wie für alle Teile der Reihe gilt aber: Für empfindliche Mägen ist "Resident Evil Village" nichts. Angesichts der Brutalität ist es auch erst für Spieler ab 18 Jahren freigegeben.
Das Testmuster wurde der "Wiener Zeitung" vom Hersteller zur Verfügung gestellt. "Resident Evil Village" ist für PC, PS 4 und PS 5 sowie die Xbox One und Xbox Series X erschienen.