Waren das Zeiten am Wiener Heumarkt. Freistilringen nannte man das damals, als Schurli Blemenschütz oder Otto Wanz unter dem frenetischen Jubel der Menge die von Seilen begrenzte quadratische Bühne betraten. "Reiß eahm die Brust auf", forderte das Publikum. "Der schaut aus wia mei Chef!" Keine Gnade sollte dem Gegner zuteilwerden. Doch das Interesse an den seifenopernartig inszenierten Schaukämpfen, in denen einander Gut und Böse gegenüberstehen, ließ in Österreich schon bald nach. Spätestens mit der Jahrtausendwende siecht hierzulande das nur noch vor sich hin, was in den USA bis heute zu den beliebtesten Sportarten gehört und unter dem Namen Wrestling firmiert.
Wer verstehen möchte, warum die amerikanischen Events hunderttausende Besucher ins Stadion und zig Millionen Zuschauer vor die Fernseher locken, für den kommt "WWE 2K22" gerade richtig. Es ist einfach ein großartiges Spektakel, wenn männliche wie weibliche Muskelprotze vor der johlenden Menge aufmarschieren und einander mit Schlägen und Griffen, die schon beim Hinschauen wehtun, den Garaus machen.
Gedächtnis und Geschick
Die Sportsimulation verlangt dem Spieler einiges ab. Wenn es darum geht, seinen Gegner zu besiegen, ist einerseits Knopferldrücken in der Leistungsklasse gefragt und andererseits ein gutes Gedächtnis. Gar nicht so einfach, sich die zig Kombinationen aus bis zu vier Knöpfen zu merken, den einzelnen Attacken zuzuordnen und auch noch gezielt einzusetzen. Dabei muss man sich auch seiner eigenen Stärken und Schwächen sowie jener des Gegners bewusst sein: Versucht ein 60-Kilo-Zniachterl den 150-Kilo-Koloss zu packen und zu fixieren, kann das schon einmal nach hinten losgehen.
Streckenweise mühsam ist die teils zeitverzögerte Umsetzung der Schläge. Da kann man schon nervös werden, wenn man die Todesstoß-Kombi bereits zum dritten Mal eingibt, während sich der auf dem Boden liegende Gegner beginnt, wieder aufzuraffen.
Doch der Schlagabtausch an sich ist nur ein Teil des Kampfes. Wie im echten Wrestling auch, geht es darum, den Gegner möglichst spektakulär außer Gefecht zu setzen. Ob das gelungen ist, zeigt am Ende die Publikumswertung, die bis zu fünf Sterne vergibt.
Neben schnellen Kämpfen und Turnieren gibt es auch einen Karrieremodus, in dem man sich vom Neuling zum schwergewichtigen Publikumsliebling emporkämpfen kann. Ein riesiger Editor ermöglicht es, einen maßgeschneiderten Kämpen bis ins letzte Detail zu erstellen. Wirklich packend ist die Story dahinter zwar nicht, die dient aber ohnedies eher als Pausenfüller zwischen den Kämpfen.
Auch in die Rolle eines Managers kann man bei "WWE 2K22" schlüpfen und dabei unter anderem erfahren, wie wichtig es ist, sowohl gute als auch böse Wrestler im Portofolio zu haben, die auch unterschiedliche Schwerpunkte haben sollten.
Selbstverständlich kann man sich nicht nur mit dem Computer messen, sondern auch online mit anderen Spielern.
Abstriche gibt es in Sachen Optik. Zu sagen, "WWE 2K22" sei grafisch nicht auf dem neuesten Stand der Technik, ist, als ob man sagen würde, der Golf V sei nicht das neueste Modell der Volkswagen-Serie. Das mindert aber nicht den Spielspaß und Unterhaltungswert. Ein Trostpflaster sind dafür eingespielte Filmsequenzen aus echten Kämpfen.
Unterm Strich bietet "WWE 2K22" leichte Unterhaltung gepaart mit starken Emotionen und gehört - so wie sein realer Konterpart - zu den polarisierenden Spielen, die man eben mag oder nicht.