Wien. Wer kennt nicht den Gameboy-Klassiker der 90er Jahre, Tetris: Verschieden geformte, fallende Blöcke müssen unter Zeitdruck so gedreht und platziert werden, dass sie komplette Reihen bilden. Vollständige Reihen verschwinden und der Spieler erhält Punkte. Ziel ist, die sich aufstapelnden Blöcke nie den oberen Bildschirmrand erreichen zu lassen. Dass das vermeintlich einfach gestrickte Computerspiel einigen Unterhaltungswert hat, ist klar. Dass Tetris aber medizinisch wertvoll ist und die Entwicklung Posttraumatischer Belastungsstörungen (PTSD) zumindest für einige Zeit verhindern kann, ist erstaunlich.

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Mehrere wissenschaftliche Studien, die an verschiedenen europäischen und US-amerikanischen Universitäten durchgeführt wurden, belegen aber genau das - zuletzt eine Untersuchung, die in der Fachzeitschrift "Molecular Psychiatry" veröffentlicht wurde.

Fatale Flashbacks

Posttraumatische Belastungsstörungen entstehen dann, wenn ein Mensch mit einem Erlebnis konfrontiert wird, das psychisch nicht verkraftbar ist. Der Patient ist nicht in der Lage, das Erlebte zu verarbeiten. Bei einem solchen Erlebnis kann es sich um eine Vergewaltigung, einen Autounfall oder ein Kriegserlebnis handeln.

In diesem Fall tritt ein Schutzmechanismus in Kraft, erklärt die Traumaexpertin Gertrude Rabl gegenüber der "Wiener Zeitung", die den Betroffenen vor dem Verrücktwerden bewahre: Das traumatisierende Ereignis werde in tausenden Splittern im Gehirn abgelegt und verstaut. Ein Problem tritt dann auf, wenn der Traumatisierte später mit einem Schlüsselreiz, genannt Trigger, konfrontiert wird. Dann tritt der Patient "in einem enormen Tempo eine Zeitreise an", so Rabl. Bekannt ist das Phänomen unter dem Begriff "Flashback": Das heißt, der Traumatisierte erlebt den Unfall, die Vergewaltigung, das Kriegserlebnis unmittelbar wieder.

Tetris bietet hier, so Lalitha Layadurai von der Universität Oxford, eine "kognitive therapeutische Impfung", die unmittelbar nach dem traumatisierenden Erlebnis verabreicht werden müsse. Das ist häufig möglich, weil Tetris auf jedem Smartphone gespielt werden kann und die Therapie somit schnell und unkompliziert zur Hand ist. So kann das Auftreten von Flashbacks in den auf das Ereignis folgenden Wochen vermindert werden. In die in "Molecular Psychiatry" veröffentlichte Studie wurden 71 Personen einbezogen, die nach einem traumatischen Verkehrsunfall in der Notaufnahme eines Krankenhauses in Oxford warteten. Die, die in dieser Zeit 20 Minuten Tetris spielten, litten in der Folge viel weniger an verstörenden und auch potenziell krankmachenden Erinnerungen, als die, die sich nicht dem Spiel widmeten.