Wien. Michael Fleischhacker ist Mathematiklehrer und setzt in seinem Unterricht Computerspiele ein. Dabei hat er eine faszinierende Beobachtung gemacht: Auf Interesse stößt das Spielen bei Buben und Mädchen gleichermaßen. Schon bald beginnen aber die Buben die Computer zu belegen und für sich in Anspruch zu nehmen. Am Ende haben jedoch die Mädchen meist die kreativeren Ergebnisse vorzuweisen. Ähnlich - wenn auch ungleich folgenreicher - ist die Situation für jugendliche Mädchen und Frauen, vor allem, wenn es ums Geschäft geht.
Sieht man sich im elektronischen Profisport um, so sind in den Clans (sprich: Clubs) Frauen quasi inexistent. Egal, ob es um die Spiele "League of Legends", "Counter Strike" oder "Dota" geht: Die hoch dotierten Weltmeisterschaften sind Männersache. Das, obwohl die Ausgangslage zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht annähernd gleich ist. Dem Marktforschungsinstitut Ipsos zufolge sitzen in den Industrieländern fast so viele Frauen wie Männer vor Videospielen. In den USA ist der Unterschied noch am größten (41:59), dafür spielen mehr Französinnen als Franzosen (52 Prozent). In Österreich ist das Gaming laut dem Marktforschungsinstitut GfK 53 zu 47 Prozent zwischen Männern und Frauen aufgeteilt. Die Männer spielen im Schnitt 12 Stunden in der Woche und die Frauen 8,3 Stunden. Und: Sowohl Käufe als auch Umfragen zeigen, dass Frauen dieselben Spiele wie Männer spielen.
Keine körperlichen Nachteile
Grundsätzlich sollte unter diesen Voraussetzungen damit zu rechnen sein, dass die eine oder andere ganz oben am E-Sport-Himmel strahlt. Zumal es im Gegensatz zu physischen Sportarten keine körperlichen Nachteile für Frauen gibt. Doch bei Computerspielen spürt man noch die Nachwirkungen der 70er und 80er Jahre, als das Rollenverständnis ein anderes war.
Als die ersten Computer und -spiele aufkamen, waren diese primär Männersache. Während sich die Burschen in "Space Invaders" und "Donkey Kong" maßen, sollten Mädchen weiterhin mit Puppen und Küchen spielen. Erst der freie Markt hatte ab den 1990er Jahren ein Interesse daran, die Schieflage auszugleichen. Denn die Publisher (Spielverlage) wollten natürlich nicht auf die Hälfte der Bevölkerung als Markt verzichten. Versuche, eigene Spiele für Mädchen zu schaffen, scheiterten kläglich. "Die sogenannten Pink Games waren nicht sehr erfolgreich. Sie beschäftigten sich mit ,traditionell weiblichen‘ Vergnügungen, also Shopping, Pferden, Dating und so weiter", erklärt Ricarda Götz, Politikwissenschafterin und Referentin für Grundlagenarbeit und Internationale Angelegenheiten in der Frauenabteilung der Stadt Wien. Man habe erkannt, dass es keinen weiblichen Spielemarkt gibt. Mehr noch: Beschwerden von Spielerinnen häuften sich, die erklärten, dieselben Präferenzen beim Spielen wie männliche Spieler zu haben.