Viele Diskussionen und einen regelrechten "Shit-Storm" in den sozialen Medien verursachte ein Bericht in der Gratiszeitung "Heute" von Dezember 2012, in dem ein mutmaßlicher Straftäter, der noch dazu ein Kärntner war, zu jener Sorte Mann gezählt wurde, "die zum Glück eher hinterm Halbmond lebt"; in Ländern, wo das Gesäß beim Beten höher sei als der Kopf. Der Presserat qualifizierte diese Passage als Diskriminierung von Menschen mit muslimischem Glauben.
Als mit dem Ehrenkodex unvereinbar bewertete der Presserat des Weiteren einen Artikel in der Tageszeitung "Österreich", in dem ein angeblicher "brutaler Drogenkrieg" in der Wiener U-Bahn zwischen Tschetschenen und Afrikanern geschildert wurde. Der Presserat hielt den Bericht für nicht ausreichend recherchiert, da als Quelle für die Behauptungen bloß anonym auf "einen erfahrenen Ermittler" hingewiesen wurde.
Diese Entscheidung hat übrigens dazu geführt, dass die Tageszeitung "Österreich" den Presserat geklagt hat. Sie wollte es der Ethikeinrichtung generell verbieten, Artikel in "Österreich" medienethisch zu beurteilen. Der Prozess ist zugunsten des Presserats ausgegangen: Das HG Wien (10 Cg 44/12v-17) hat entschieden, dass auflagenstarke Medien, die bewusst am öffentlichen Meinungsbildungsprozess teilnehmen, selbst reißerisch vorgetragene Kritik aushalten müssen, weil dies das Fortkommen der Zeitung nicht gefährde. Eine sachlich vorgetragene Meinungsäußerung, dass ein Artikel mit medienethischen Prinzipien nicht vereinbar sei, könne das Fortkommen einer Zeitung laut Gericht erst recht nicht gefährden.
Der Autor ist Geschäftsführer des Presserates.