Wien/Wels. Diskriminierend, rechtlich nicht haltbar und letztlich eine Behinderung beim Erwerb des Deutschen ist aus Sicht des Netzwerks Sprachenrechte die in Oberösterreich geplante Durchsetzung einer Deutschpflicht in Schulpausen. "Die Bildungssprache Deutsch lerne ich im Unterricht mit den Lehrern und nicht in der Pause", kritisierte Sprachlehrforscher Hans-Jürgen Krumm am Freitag eine Themenverfehlung.
"Pädagogisch und psychologisch krimineller Unsinn"
"Die Hoffnung, ein Sprachverbot stärkt jenes Deutsch, das ich im Unterricht brauche, ist völliger Unsinn", betonte er bei einem Pressegespräch. In der Pause würden Schüler nämlich die Alltagssprache nutzen. Laut der Sprachwissenschafterin Judith Purkarthofer ist ein Deutschgebot sogar kontraproduktiv für das Lernen der Unterrichtssprache, immerhin werde dadurch der Austausch über Schulisches in den Pausen verhindert. Auch Sprachdidaktikerin Verena Plutzar verwies auf Forschungen aus Kindergärten, wonach die Muttersprache genutzt werde, um sich der Zweitsprache anzunähern und damit wesentlich zum Deutschlernen beitrage. Grundsätzliche Voraussetzung für das Sprachlernen sei eine "emotional gesicherte Umgebung und ein positives Verhältnis zu den Lehrern.
Deutsch als alleinige Pausensprache ist laut Krumm hingegen fatal: "Egal, ob man es Verbot oder Empfehlung nennt, es wirkt auf die Eltern und deren Kinder als Diskriminierung." Die Folgen der gesellschaftlichen Ablehnung anderer Sprachen: Nur jedes fünfte Kind mit nicht-deutscher Muttersprache werde in den muttersprachlichen Unterricht geschickt. Dabei sei sich die Wissenschaft weltweit einig, dass gute Kenntnisse der Muttersprache die Voraussetzung für das Erlernen einer Zweitsprache seien. Außerdem würden wegen der Diskriminierung ihrer Sprachen auch Eltern ohne gute Kenntnisse Deutsch zur Verständigung mit ihren Kindern nutzen, das Fehlerhafte müssten diese später wieder mühsam umlernen. Gleichzeitig würden Sprachverbote die Gesellschaft immer intoleranter gegenüber Anderssprachigen machen.
Keine Vermeidung von Konflikten
Zur Vermeidung von Konflikten tauge eine Deutschpflicht ebenfalls nicht, waren sich die Vertreter des Netzwerks einig. Immerhin dürfte es dann unter einsprachigen Schülergruppen nie zu Konflikten kommen. Plutzar kritisiert auch die unrealistischen Vorstellungen über das Sprachlernern, durch die Lehrer und Schüler gleichermaßen unter Druck gesetzt würden. So werde Spracherwerb derzeit nur in Verbindung mit dem Kindergarten und den ersten beiden Volksschuljahren diskutiert, danach werde das selbe Niveau wie bei Muttersprachlern erwartet. Tatsächlich brauche der Erwerb der Zweitsprache fünf bis zwölf Jahre.