Wien. "Natürlich bin ich überzeugt davon, dass Wien noch ein weiteres Theater braucht. Sonst wäre ich ja verrückt, eines ins Leben zu rufen", sagt Jakub Kavin. Nachsatz: "So verrückt bin ich nun auch wieder nicht."

Genaugenommen ist sein Theater Arche, das am 29. Jänner in der Münzwardeingasse 2 im sechsten Wiener Gemeindebezirk aufmacht, die Wiedereröffnung des Theater Brett. Kavins Eltern, die im vergangenen Sommer verstorbene Nika Brettschneider und Ludvik Kavin, haben die Kleinbühne 1984 gegründet. Beide Künstler gehören zu den Unterzeichnern der Charta 77 und sind 1977, Sohn Jakub war zwei Jahre alt, aus der Tschechoslowakei nach Wien emigriert. "In den Anfangsjahren gab es selbst hier noch Versuche, uns abzuhören", sagt Kavin. "Man war auf der Hut, es hat unser Leben geprägt."

"Mir geht es um Vielfalt"

Jakub Kavin.
Jakub Kavin.

In den Räumen, die er nun für eigene Projekte adaptiert, hat er seine Kindheit verbracht. "Ich erinnere mich an das Theater als lebendigen Raum, als Ort der Begegnung." Offenheit und Neugier auf andere Kulturen ist ein Eckpfeiler seiner Theaterarbeit geblieben.

Das interdisziplinäre Ensemble der Theater Arche versammelt Künstler aus aller Welt - von Brasilien und Japan bis hin zu Tschechien, Polen und Österreich. "Ich möchte der Homogenität auf den Bühnen etwas entgegensetzen. Mir geht es um Vielfalt", so Kavin. Inhaltlich unterscheidet sich seine Bühnenarbeit deutlich vom Spielplan der Eltern. Das Theater Brett zeigte vorwiegend Ur- und Erstaufführungen von Werken aus Mittel- und Osteuropa. Kavin Junior interessiert sich mehr für Stückentwicklungen rund um gesellschaftspolitische Themen. Die Textvorlagen entstehen auf Basis von Recherchen und Improvisationen.

Mit "Outsiders" (2015) und "Wir Hungerkünstler" (2016) legte er erste Arbeiten vor, mit "Anstoss" eröffnet der Impresario nun das Theater Arche am 29. Jänner. "Anstoss" ist eine Textcollage über Auswirkungen und Auswüchse des Spitzensports. 16 Akteure werden auf der Bühne zugange sein - sportliche Leistung für eine Kleinbühne. "Mich interessiert Hochleistungssport als gesellschaftliches Phänomen. Olympiaden und Weltmeisterschaften liefern die größten Shows der Welt, sie stellen selbst Hollywood in den Schatten", sagt Kavin, der selbst keinerlei Sport betreibt. "Anstoss" setzt sich aus Texten von und über Leistungssportlern zusammen, rückt spektakuläre Dramen der Branche ins Zentrum - etwa die Attacke der Eiskunstläuferin Tonya Harding, der Dopingskandal rund um den Radfahrer-Star Lance Armstrong und die Missbrauchsvorwürfe der Skirennläuferin Nicola Werdenigg (geborene Spieß), die übrigens höchstpersönlich auf der Bühne anwesend sein wird.

Kavins nächste Inszenierung "Mauer" wird sich mit dem Fall des Eisernen Vorhangs auseinandersetzen. "Das Jahr 1989, der Fall der Mauer, war für unsere Familie eine Zäsur", erinnert sich Kavin. Es kam zu Annäherungen mit der Heimat, aus der man einst geflohen war, seine Mutter wurde sogar Professorin an der Schauspielakademie in Brno, die sie seinerzeit selbst absolvierte. Markierten die 1990er Jahre Aufbruch und Neuorientierung für die Familie Kavin-Brettschneider, schlitterte das Theater Brett zusehends in die Krise. 2005 wurde im Zuge der Theaterreform der Geldhahn nahezu völlig abgedreht. Dass die Spielstätte dank Vermietungen überhaupt gehalten werden konnte, ist allein dem Einsatz der Familie zu verdanken. Auch die Neueröffnung finanziert Jakub Kavin gänzlich aus eigener Hand, bei der Renovierung legen sogar die Schauspieler Hand an. "Wir verstehen uns als Kollektiv, jeder ist für das Gesamte verantwortlich", so Kavin. Was dabei herauskommt? Ab 29. Jänner wird man es erfahren.

Anstoss

Theater Arche, 6., Münzwardeing. 2.

Premiere: 29. Jänner, 20 Uhr

Wh.: 20 Spieltage bis 2. März

Info: www.theaterarche.at