Gábor Biedermann verzweifelt in der jüngsten Volkstheater-Inszenierung von "König Ottokars Glück und Ende" nach allen Regeln der Kunst am Sturkopf Ottokar, das Publikum versteht dabei jedoch kein einziges Wort. Biedermann schimpft nämlich in seiner Muttersprache Ungarisch. Geboren in Frankreich, aufgewachsen in Portugal und Deutschland, mit Familie in Budapest, versteht sich der vielsprachige Schauspieler als Europäer im besten Sinn: "Der Nationalismus ist ein Riesenirrtum", sagt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Kriege haben noch nie jemanden glücklicher gemacht."
Das multikulturelle aneinander vorbei Parlieren gehört in Duan David Pařizeks "König Ottokar"-Inszenierung zu den Höhepunkten des Abends. Die Lacher sind den Schauspielern gewiss.
Raum fürs Blödeln
Für Bühnenexperimente dieser Art ist Gábor Biedermann alleweil zu haben: "Ich mag es, wenn Regisseure auf den Proben Raum fürs Blödeln eröffnen, dann entstehen mitunter Dinge, auf die man sonst nicht kommen würde. Bei König Ottokar geht es doch darum, dass verschiedene Kulturen aufeinandertreffen, Konflikte entstehen auch deshalb, weil man einander nicht versteht. Ich finde es toll, dass wir das auf der Bühne erfahrbar machen, indem wir stellenweise mit dem Bühnendeutsch brechen." Je mehr sich das Publikum dabei amüsiert, desto besser. Humor ist für den 39-Jährigen ohnehin die beste Methode, um die Zuschauer zu erreichen.
Auch in Biedermanns jüngstem Coup könnte es einiges zu lachen geben: Er spielt Eisenring, einen der beiden Brandstifter in Max Frischs "Biedermann und die Brandstifter", Premiere ist am Freitag (1. Februar) im Volkstheater, als Biedermann tritt Günter Franzmeier in Aktion. Regisseur Viktor Bodó setzt wohl auch auf die absurden Qualitäten des bekannten Dramas. "Gleichzeitig ist klar, dass die Grundsituation ernst ist, wir machen daraus keinen Klamauk", so Biedermann.
Mit Beginn der Direktion von Anna Badora kam der Schauspieler, der zuvor Engagements in Berlin, Zürich und Hamburg hatte, ans Wiener Volkstheater und hat sich in den vergangenen vier Jahren als eine der wesentlichen Stützen des Ensembles etabliert. Nicht nur Hauptrollen wie in "Klein Zaches - Operation Zinnober", vermag er mit beachtlichem Facettenreichtum darzustellen, auch kleinere Partien wie jene in "König Ottokar" verkörpert er mit äußerster Präzision. Dass bei Biedermann auch kleinste Gesten mit äußerster Sorgfalt gespielt werden, brachte ihm 2016 eine Nestroy-Nominierung ein. In Mehrfachrollen konnte er sein Theatertemperament etwa in Stephan Kimmigs "Zehn Gebote"-Inszenierung unter Beweis stellen. In einer Szene verkörpert er einen Rechtsanwalt, der dem Publikum beichtet, dass er seinen Mandanten nicht vor der Todesstrafe zu bewahren vermochte. Ein ganz großer Theatermoment.
Eine erste Fassung von "Biedermann und die Brandstifter" schrieb der Schweizer Autor nach der Machtübernahme der Kommunisten in der Tschechoslowakei. Kritiker wie Friedrich Torberg sahen das 1958 uraufgeführte Stück folgerichtig als "klassische Satire gegen den Kommunismus". Die jüngere Rezeption interpretiert das biedermännische Mitläufertum hingegen eher als "Parabel auf die Machtergreifung Hitlers". Das "Lehrstück ohne Lehre", wie Frisch sein wohl bekanntestes Drama bezeichnete, lässt viel Spielraum für Interpretationen. Stehen die Brandstifter am Wiener Volkstheater nun für das gegenwärtige Erstarken rechtspopulistischer Kräfte? "Das ist eine naheliegende Interpretation", gibt Biedermann zu, "aber wir haben uns gegen die Eindeutigkeit entschieden und überlassen es dem Publikum, seine eigenen Assoziationen herzustellen." Die Brandstifter stehen hier allgemein "für das Böse und Zerstörerische in uns". Man darf gespannt sein, wie Biedermann alias Eisenring jenes berühmte Zitat, das den Untergang besiegelt, zum Besten geben wird: "Scherz ist die drittbeste Tarnung. Die zweitbeste: Sentimentalität. Aber die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt niemand."