Elfriede Ott hat sogar in die Welt der Kreuzworträtsel Eingang gefunden. Um als "bekannte Schauspielerin mit drei Buchstaben?" von einer breiten Rätselgemeinde erraten zu werden, da gehört viel dazu. 70 Jahre lang stand Elfriede Ott auf der Bühne, 60 Jahre tourte sie mit Soloprogrammen durchs Land und fand noch Zeit für eine beachtliche Karriere als Fernsehschauspielerin.
Es war ein Leben randvoll mit Arbeit, das sich vor allem darum drehte, das Publikum zum Lachen zu bringen - eine der schwersten Aufgaben überhaupt. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch (12. Juni) starb die Schauspielerin im Alter von 94 Jahren.
Wienerisches Temperament
Der Weg zur Bühne war für die am 11. Juni 1925 geborene Tochter eines Wiener Uhrmachers keinesfalls vorgezeichnet. Sie nahm heimlich Schauspielunterricht bei Lise Medelsky. "Bei meiner Lehrerin hatte ich die Jungfrau von Orleans einstudiert", sagte Ott einmal über ihr Vorsprechen am Burgtheater. "Als ich rezitierte, hab ich alles haargenau nachempfunden, auch das Zucken im Gesicht, das die Medelsky befallen hatte. Der damalige Burgtheater-Direktor Lothar Müthel erzählte mir später, er habe noch nie so sehr über eine Jeanne dArc gelacht wie damals. Aber er hat mich genommen." 1944 debütierte sie am Burgtheater, bis 1949 gehörte sie dem Ensemble an, spielte an der Seite von Burg-Größen wie Raoul Aslan und Oskar Werner die Klassiker des Welttheaters.
In ihrer 2005 erschienenen Autobiografie "Ich hätte mitschreiben sollen . . ." bekennt Ott, begeisterte Nationalsozialistin gewesen zu sein. "So eine richtige, glückliche Nazi-Familie" sei man zuhause gewesen. Ott zeigte sich in ihrem Buch rückblickend entsetzt darüber, dass sie nicht von den NS-Gräueln aufgerüttelt worden war. "Warum, warum haben wir nicht zu denen gehört, die alles durchschaut haben?", klagte sie sich an.
Ihre politische Umkehr dürfte auch mit ihren Ehemännern zu tun haben. Ihr erster Mann, Ernst Waldbrunn, wurde wegen seiner jüdischen Herkunft verfolgt und war im KZ Auschwitz interniert. Ihr zweiter "Lebensmensch", der jüdische Autor und Theaterkritiker Hans Weigel, überlebte die NS-Zeit in der Emigration.
Beide Männer beflügelten auch Otts berufliches Fortkommen. An der Seite von Waldbrunn etablierte sie sich als Kabarettistin; Weigel schrieb für sie überaus erfolgreiche Soloprogramme ("Phantasie in Ö-Dur"). Weigel und Ott riefen die Nestroy-Spiele in Maria Enzersdorf ins Leben, Ott leitete das Sommertheater 30 Jahre lang, zuletzt gemeinsam mit ihrem Adoptivsohn Goran David.
1985 gründete Ott zudem die Schauspielausbildung des Wiener Konservatoriums, der sie bis 2004 vorstand, zu den bekanntesten Absolventen gehören Nicholas Ofczarek und Sandra Cervik. Danach folgte die "Schauspielakademie Elfriede Ott".
Ihre künstlerische Heimat fand die Schauspielerin freilich in der Josefstadt. 1950 debütierte sie in den Kammerspielen, ab 1958 war sie Ensemblemitglied und gehörte neben Volksschauspielern wie Fritz Muliar, Maxi Böhm und Ossy Kolmann zu den erklärten Publikumslieblingen. Das war seinerzeit kein einfaches Unterfangen, sich im männlich dominierten Komödienfach derart zu behaupten.
Nicht zu vergessen: Ihre beachtliche Karriere als Fernsehschauspielerin ("Die liebe Familie"); ihr Debüt als Filmschauspielerin gab sie erst mit 85 Jahren in der Komödie "Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott" (2010) - einer der meistbesuchten heimischen Filme jenes Jahres.
Hilde Spiel umriss treffend Otts Theatertemperament: "Sie besitzt die Fähigkeit, alle Seiten des wienerischen Temperaments, das Graziöse wie das Grantige, das Maliziöse wie das Sentimentale, das Raimundsche Gemüt wie das Nestroysche Gift in rascher Aufeinanderfolge abzuwandeln." Elfriede Otts Tod beendet ein Stück Wiener Theatergeschichte.