Die Kanzlerin war da. Putin (wie schon orakelt wurde) nicht. Dafür aber der erklärte Nichtwagnerianer Gerhard Schröder. Der kann seinem Freund ja dann berichten, wie sich Putins Günstling Gergiev in Bayreuth geschlagen hat.
Dass Tobias Kratzer etwas Spannendes abliefern würde, war klar. Der rastlos in der ganzen Welt dirigierende und unter anderem in München als Orchesterleiter angestellte Russe Valery Gergiev hatte freilich merkliche Probleme mit den Tücken der Festspielhausakustik. Zwar sitzen fabelhaft auf Wagner geeichte Musiker im Graben, aber das, was an Gestaltungswillen und Inspiration vom Pult dazu kommen muss, enttäuschte. Anfangs hatte man den Eindruck, dass Gergiev sich bewusst zurückhält. Beim per se spannenden Sängerkrieg im zweiten Akt kam die innere Spannung fast gänzlich abhanden. Den großen Bogen, die Idee, den Willen zu "seinem" Tannhäuser blieb der Russe weitgehend schuldig.
Niemand kauft Biogas
Ganz anders die Sänger. Hier war beisammen, was auf die Bayreuther Festspielbühne gehört. Mit Stephen Gould einer der wenigen "Nummer-sicher"-Tannhäuser, der jeden Ton beherrscht und mit imponierender Sicherheit abliefert. Aus der Rom-Erzählung macht er vokal und darstellerisch eine packende Studie jener inneren Zerrissenheit, die der Regisseur im Visier hatte.
Die kurzfristig eingesprungene Elena Zidkova war der (um Tannhäuser) kämpfenden Dauerpräsenz dieser Venus voll gewachsen. Lise Davidsen hat eine stimmliche Kraft, die für zwei Elisabeths reichen würde. Eine neue norwegische Jahrhundertstimme! Ihre Elisabeth wäre auch ein klein wenig dosierter noch eine Sensation. Auch alle anderen sangen auf Festspielniveau besonders Markus Eiche als vitaler Wolfram ohne liedhafte Überfeinerung.
Kratzer erlaubt sich einen augenzwinkernden Verweis auf die ungeliebte Vorgängerinszenierung. In einem der passgenauen Videos von Michael Braun sehen wir die Off-Theatertruppe mit Venus, dem traurigen Clown Heinrich, dem kleine Oscar mit seiner Blechtrommel und Drag Queen Le Gateau Chocolat (die dem Personal hinzugefügt wurden) in einem alten Citroën-Kastenwagen durch den deutschen Wald an der echten Wartburg vorbei, Richtung Festspielhaus gondeln. Als sie an einer Biogasanlage vorbeikommen, wird deren Firmenschild gerade mit "mangels Nachfrage geschlossen" überklebt. Was die ersten Lacher provoziert.
Bei Kratzer geht es nicht um den Mann in der erotischen Falle zwischen zwei Frauenbildern, sondern zwischen zwei Welten. Ausbruch ins Freie hier - Ordnung und "Hochkultur" dort.