Es war nicht der Abend der Haustechnik. Da hatte sich die Neue Oper Wien für ihre erste Saisonpremiere im Museumsquartier eingemietet, streikte dort jedoch die Übertitelanlage. Nichts zu machen: Während der ersten Hälfte schwiegen beide Bildschirme der Halle E eisern. Nach der Pause zumindest eine halbseitige Besserung: Der rechte Schirm sprang an und hielt, das nötige Adlerauge vorausgesetzt, auch die linke Saalhälfte auf dem Laufenden.

Glücklicherweise hing das Verständnis nicht ganz von derlei Behelfen ab. Peter Eötvös, Schöpfer von einem Dutzend Opern, erweist sich in seinen "Angels in America" (2004) als bescheidener Diener am Text: Das Orchester neigt zu flirrenden, freitonalen Klangflächen, die Darstellerriege oft zu einem Sprechgesang mit Mikrofonverstärkung. Das beschert den englischen Worten eine (für Opernverhältnisse) frappante Deutlichkeit.

Das ist nur würdig und recht angesichts der Vorlage: Tony Kushners "Angels in America" ist als Triumph in die Theater-Annalen der USA eingegangen und als Pionierleistung, die die Themen Aids und Homosexualität ins Rampenlicht rückte - ein Meilenstein im Jahr 1991, als ein Outing noch skandalumwittert war und weit und breit kein Wundermittel, um die tödliche Immunschwächekrankheit in Schach zu halten.

Dabei watet Kushner weder in Betroffenheitsschmalz noch Moralinsäure. Sein siebenstündiges Theater will weniger ein Requiem als ein Sittenbild der amerikanischen 80er Jahre sein, gezeichnet von Heuchelei und Hartherzigkeit. Eigenschaften, die sich in der Rolle des Roy vereinen, einer Figur nach historischem Vorbild: Der Machtmensch weigert sich, die HIV-Diagnose zu akzeptieren. Nur Homosexuelle hätten Aids, so der Schein-Hetero: "Ich habe Leberkrebs." Kushners HIV-Reigen verstrickt nicht nur Arm und Reich, sondern auch Himmel und Erde: Ein Engel steigt hernieder und erhebt den todkranken, verlassenen Prior in die Würde eines Propheten. Gott? Ist aus dem Himmelreich längst verschwunden. Man sollte ihn klagen, rät Prior mit galligem Humor.

Ein Eisbär im kalten Polar

Regisseur Matthias Oldag arbeitet sich sachdienlich durch die rasche Szenenfolge der zweistündigen Opernfassung: Im Hintergrund eine New-York-Skyline, vom Schnürboden rieselt Schnee, auf der Bühne schieben Helferlein Requisiten hin und her: ein Schreibtisch für den ruppigen Roy, eine Parkbank für verstohlene Stelldicheins, eine Couch für eine vernachlässigte Ehefrau. Die tröstet sich mit Opiaten und einer fantasierten Fernreise in die Arktis. Die Regie lässt dafür einen Eisbären antapsen: ein flauschiger Versuch, Kushners groteske Seite zu würdigen.

Kernattraktion sind die Sänger: David Adam Moore verleiht dem Propheten sonore Fülle, Franz Gürtelschmied dessen Liebhaber Louis eine honigsüße Intensität; Karl Huml imponiert als rescher Roy und Caroline Melzer als Engel, dessen Koloraturen sich himmelhoch schrauben. In diesen Momenten wächst dann auch die Musik (gespielt vom amadeus ensemble-wien unter Walter Kobéra) über solide Stimmungsmalerei hinaus und entfaltet ein gleißendes Farbenspiel. Letztlich Beifall für einen Abend, der eine Ahnung von Kushners Meilenstein vermittelt.