Allzu viel Vorbereitungszeit dürfte Einspringer Felix Kammerer nicht gehabt haben - eigentlich hätte ja Markus Meyer "Die kleine Hexe" von Otfried Preußler im Burgtheater-Vestibül lesen sollen. In Kammerers Fall scheint es aber genug Zeit gewesen zu sein, denn er geht dermaßen in der Rolle auf und passt dermaßen gut ins Kostüm, dass man selbst als Erwachsener wirklich gut unterhalten wird. Die Kinder sowieso. Nur Andreas Radovans Trommel ist manchen zu laut. Der Musiker begleitet nämlich mit Gitarre und Percussions Kammerer, der erst im senfgelben Anzug und dann im bunten Hexenkostüm mit einem Dicken Zauberbuch auf dem Schoß die Geschichte von der erst 127 Jahre jungen Hexe vorliest und vorspielt, die sich unerlaubt in die Walpurgisnacht auf dem Blocksberg hineinschmuggelt, von den großen Hexen deshalb ihres Besens beraubt wird und sich am Ende an ihnen rächt, nachdem sie zuerst mehreren Menschen geholfen hat (Pfui Teufel, wie unschicklich für eine Hexe!).

Es sind einfache Mittel, die hier eingesetzt werden und dabei große Wirkung entfalten. Ein Overhead-Projektor, eine Wasserschüssel und ein paar Papierschablonen genügen Kammerer, um eine aufregende Szenerie heraufzubeschwören. Richard Panzenböcks szenische Einrichtung geht also voll auf, und auch Adrian Stapfs Kostüm sitzt an Kammerer wie angegossen - freilich auch, weil das Bubengesicht (im positiven Sinn) des 24-Jährigen genügend feminine Züge dafür aufweist. Er Ist wirklich eine authentische Hexe. Und was die Stimme des Vorlesers betrifft, so ist sie nicht nur in den Tonlagen sehr variantenreich, sondern er setzt auch verschiedene Dialekte ein. Die Bandbreite von Burgtheater-Deutsch bis breiter Umgangssprache unterhält die Kinder 50 Minuten lang. Die Lesereihe "Lesen & Lauschen" wird ihrem Motto zum Auftakt also gerecht. Und man darf sich schon auf den "Räuber Hotzenplotz" (ab 14. Dezember) freuen.