Nachdem die Bundesregierung Freitag Mittag die Rahmenbedingungen für Kulturveranstaltungen in den nächsten Monaten skizziert hatte, haben die Verantwortlichen der Bregenzer Festspiele mit einer Absage der Saison 2020 reagiert. Das Coronavirus hat die Festspiele, die heuer zum ersten Mal seit ihrer Gründung im Jahr 1946 nicht stattfinden, regelrecht in die Knie gezwungen.
"Ich muss feststellen, dass mit der Verlautbarung von heute, der neuen behördlichen Auflagen, die für den Sommer gelten, die Bregenzer Festspielsaison 2020 abgesagt ist", verkündete Festspielpräsident Hans-Peter Metzler in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Für Vorstellungen ab dem 1. August sind nicht mehr als 1000 Zuschauer erlaubt - die Bregenzer Seebühne fasst knapp 7000 Gäste. Metzler sprach von einem einmaligen, außerordentlichen "und für uns traurigen Moment".
Wirtschaftlich nicht machbar
Der kaufmännische Direktor Michael Diem erklärte, dass die Bregenzer Festspiele mit 1000 Gästen auf der Seebühne "wirtschaftlich nicht machbar sind". Intendantin Elisabeth Sobotka kündigte an, dass die Festspiele ohne die Aufführungen auf der Seebühne - "das Herz der Festspiele" - nicht denkbar seien. Man werde 2021 wie für heuer geplant sowohl "Rigoletto" auf dem See als auch "Nero" im Festspielhaus zur Aufführung bringen. Um ein Jahr verschoben wird auch "Madame Butterfly" als Spiel auf dem See.
Die Festspiele in kleinerem Rahmen durchzuführen - wie es Salzburg macht - sei in Bregenz nicht zur Diskussion gestanden. "Für uns ist die Seebühne das Herz und der Motor der Festspiele", sagte Sobotka. Inhaltlich, atmosphärisch und finanziell ermögliche die Seebühne alles andere, man hätte den kleineren Produktionen nichts Gutes getan, sie ohne Seebühne aufzuführen, betonte Sobotka: "Wir wollen Festspiele machen, wie sie für uns die einzig mögliche Vorstellung sind."
Einen Plan B für 2021, falls es aufgrund der Pandemie nach wie vor große Einschränkungen geben sollte, habe sie nicht, bekannte Sobotka. "Das will ich nicht glauben. Ich bin überzeugt, dass wir eine Lösung gefunden haben werden, die Festspiele möglich macht", sagte sie. Alternative Veranstaltungen soll es nicht geben, vielleicht aber ein "Lebenszeichen".
Start der Abwicklung am Montag
Sobotka musste die heurige Festspiel-Absage sichtlich erst verdauen: "Ich brauch noch". Dass "Rigoletto" als Erfolgsproduktion verschoben werde, sei rasch klar gewesen, berichtete der kaufmännische Direktor Michael Diem. Der Vorverkauf sei der erfolgreichste aller Zeiten gewesen, selbst am Freitagvormittag habe man noch 30 Karten verkauft. Mit den Besuchern, die bereits Tickets haben, wolle man "ganz fair" sein. Die Lieblingsvariante der Festspiele ist ein Ticketumtausch auf 2021, weitere Möglichkeiten sind ein Gutschein, der mehrere Jahre Gültigkeit hat, eine Rückerstattung oder das Spenden des Ticketbetrags an das Festival. Start der Abwicklung per Festspiele-Internetseite ist am Montag, 18. Mai. Für "Rigoletto" 2021 sind vorerst insgesamt 26 Vorstellungen mit der Option auf zwei weitere vorgesehen, 190.000 Tickets sind aufgelegt. Premiere ist am 22. Juli 2021, einen Tag nach der Hausoper "Nero".
Für Festspielpräsident Metzler war der Freitag "nicht das Ende, sondern der Start in eine neue Phase". Man wolle mit Land, Stadt und Bund als verlässliche Partner sprechen, "wie wir diese Saison, die mit Kurzarbeit begonnen hat, in Stärke überstehen". Mitte Juni gebe es dazu eine Kuratoriumssitzung. Er sei zuversichtlich, dass sich Lösungen finden. Ob die Absage der diesjährigen Saison Auswirkungen auf die Sanierungspläne für die Seebühne und das Festspielhauses haben, wusste Metzler am Freitag noch nicht. Laut ursprünglichen Plänen sollte die Sanierung im Ausmaß von 55 Mio. Euro von 2021 bis 2023 erfolgen. "Im Hintergrund werden die Pläne weiterentwickelt, die Detailpläne werden im Herbst vorliegen", sagte der Festspielpräsident.
Großer Berg abzuarbeiten
Zur Situation der rund 80 Mitarbeiter sagte Diem, dass sich derzeit zwei Drittel in Kurzarbeit befänden, einen Teil davon werde man jetzt aber zurückholen müssen. Es durch die Absage einen großen Berg abzuarbeiten, verwies er etwa auf das Ticketcenter oder die Kommunikationsabteilung. Sämtliche für heuer angefertigte Drucksorten müssten eingestampft, stattdessen neue gemacht werden.
Die Festspiele-Verantwortlichen erfuhren von den Auflagen und damit der Nicht-Durchführbarkeit ihres Festivals übrigens wie alle anderen aus dem Fernsehen bei der Pressekonferenz der Bundesregierung. Die Entscheidung zur Absage sei dementsprechend gegen 12.45 Uhr gefallen. Zu der Performance der Bundesregierung wollte sich Metzler nicht weiter äußern. Er greife lieber zum Hörer, wenn er etwas zu sagen habe und bringe seine Kritik direkt und konstruktiv an. Er hatte vor einigen Wochen bekannt, man fühle sich ein Stück weit vergessen. Es habe schon Austausch gegeben, berichtete Sobotka, die Reaktionsgeschwindigkeit sei aber für die Festspiele schwierig gewesen. "Aber es ist eine herausfordernde Situation, es gab so viel Bewegung", sagte die Intendantin. "Jetzt sind wir da, wo wir nicht hinwollten", schloss sie. (apa)