Nach monatelanger Zwangspause öffnen die Wiener Bühnen wieder ihre Pforten, von einer Rückkehr zum Normalbetrieb kann jedoch nicht die Rede sein. Die Häuser unterliegen vor und hinter der Bühne strengen Sicherheitsauflagen. Die Pandemie-Grundregeln Abstand, Mund-Nasen-Schutz und Contact-Tracing müssen mit den Bedingungen eines Theaterbesuchs in Einklang gebracht werden. Die Spielregeln ähneln einander, differieren nur geringfügig von Haus zu Haus.

Der gravierendste Einschnitt liegt wohl in der Personalisierung: Um im Fall einer Infektion Betroffene benachrichtigen zu können, wird jede einzelne Theaterkarte personalisiert, beim Kartenkauf müssen Kontaktdaten hinterlegt werden, die Identität wird stichprobenartig beim Eingang kontrolliert. Lichtbildausweis bitte nicht vergessen!

Hinter Plexiglas

Beim Betreten und Verlassen des Theaters ist ein Mund-Nasen-Schutz obligatorisch, den man bei Beginn der Aufführung abnehmen kann. Die Intendanten haben darum gekämpft, dass Paare, Familien, Freunde nebeneinandersitzen können, maximale Gruppengrößen variieren innerhalb der Bühnen, die meisten haben sich auf Zweier- und Vierer-Gruppen geeinigt. Logen können beispielsweise nur mehr von einer gemeinsamen Gruppe gebucht werden, zwischen den Logen wird, wenn nötig, eine Art Trennschutz angebracht, ein vorübergehendes Ende der Plaudereien mit den Nachbarlogen.

Zwischen jeder Person oder Besuchergruppe bleibt ein Platz frei. Der Zuschauerraum wird also lückenhaft besetzt, man darf sich aber keine Schachbrettbestuhlung erwarten. Dank der Gruppenregelung können die Bühnen ihre Auslastung ein wenig ausdehnen und rasseln nicht automatisch auf die Hälfte herunter. Bühnen mit hohem Abonnentenstock, wie das Theater in der Josefstadt und das Theater der Jugend, arbeiten derzeit unter Hochdruck, um diese Situation logistisch zu bewältigen, vermutlich müssen Abonnenten heuer auf Stammplätze verzichten.

Die Häuser haben einen Meter Abstand von der Körpermitte des einen Besuchers zur Körpermitte des anderen zu gewährleisten. Diese simple Vorschrift führt mitunter bereits zu baulichen Maßnahmen, so wurde etwa im Vestibül, einer Nebenspielstätte des Burgtheaters, die Bestuhlung erneuert, auch Stehplätze wurden abgeschafft und sämtliche Bühnen müssen vorübergehend die freie Platzwahl aufheben. Wer einmal sitzt, darf den Platz nicht mehr wechseln.

Einen Sonderweg schlägt der Stadtsaal in Wien-Mariahilf ein: Die Bühne lässt zwischen Personen nichts frei, sondern bringt Plexiglaswände an. Damit erzielt das Haus wieder die volle Auslastung.

Die Bühne war eine der ersten, die nach dem Lockdown den Spielbetrieb wieder aufnahmen, bereits im Juni gastierten Liedermacher Ernst Molden und Kabarettist Lukas Resetarits, anfangs noch bei strenger Schachbrettbestuhlung. Seit 25. Juli gibt es nun das Plexiglassystem. "Die Idee ist aus der Not geboren", sagt Intendant Andreas Fuderer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", "da wir viele ausverkaufte Vorstellungen verschieben mussten und so eben zeigen können." Die Anschaffungskosten und laufenden Ausgaben für die allabendliche Anbringung der Trennscheiben seien zwar beträchtlich, so Fuderer, aber langfristig rentabler als ein halbleerer Theatersaal. Optische und akustische Einschränkungen gäbe es nicht, es sei "bestenfalls gewöhnungsbedürftig", auch da gab es bisher noch keine Beschwerden des Publikums. Fuderer: "Das System wird gut angenommen."

Andere Intendanten bekundeten zwar Interesse, allerdings ergaben Recherchen der "Wiener Zeitung", dass bisher keine weitere Wiener Bühne vorhat, bald auf Plexiglas umzusteigen. Das dürfte vor allem bauliche Gründe haben: Die Glasscheiben lassen sich am besten an Stühlen mit Armlehnen montieren, die meisten Klein- und Mittelbühnen haben das gar nicht; um ein Gefühl von Beengtheit zu vermeiden, müssen außerdem die Stühle breit genug und der Abstand zwischen den Stuhlreihen ausreichend sein, daran hapert es etwa in der Josefstadt.

Nicht wenige Sitzungen in den Direktionsbüros, vom Burgtheater bis zur Kellerbühne, drehen sich dieser Tage um die Frage, wie Staus im Foyer, bei den Garderoben und vor dem Pausenbuffet zu vermeiden seien.

Gefahrenzone Pausenbuffet

Bei den Wiener Großbühnen wird jeder Eintrittskarte ein bestimmter Eingangsbereich samt Garderobenzone zugewiesen, Besucher werden gebeten, frühzeitig ins Theater zu kommen.

Klein- und Mittelbühnen stehen hier vor weitaus größeren Herausforderungen. Einen Vorteil haben Häuser jüngeren Datums, wie Werk X in Meidling, Theater Kosmos und das Dschungel im Museumsquartier, während die Direktion der verwinkelten Spielstätte in der Drachengasse wohl verstärkt auf die Eigenverantwortung der Besucher setzen muss. Im Idealfall sollte für Klein- und Mittelbühnen zudem die Garderobenpflicht entfallen, hier führen die Theaterleiter gerade Gespräche mit dem zuständigen Magistrat. Auch gilt der Appell an die Besucher: Wenn möglich, Karten online erwerben, um Drängeleien an der Abendkasse zu vermeiden.

Das Theaterbuffet wird unter Pandemiebedingungen zur Gefahrenzone: An sich gilt in den Pausen Maskenpflicht und Abstand wahren. Häuser mit weitläufigem oder sogar räumlich getrenntem Gastrobereich werden die Bestuhlung reduzieren, bieten fallweise Stehtische an; wo das nicht geht, könnte die Theaterbar vorübergehend geschlossen bleiben.

Ein Theaterbesuch wird in dieser Spielzeit ein wenig anders verlaufen als gewohnt, verzichten muss man deshalb noch lange nicht. Vorhang auf - und alle Fragen offen!