Das Werk X-Petersplatz, eine kleine, aber traditionsreiche Kellerbühne in der Wiener Innenstadt, hat sich allen Unkenrufen zum Trotz eine eigenständige Position erobert: Es ist die Bühne für Nachwuchskünstler, ein Ort vor allem für das zeitgenössische Sprechtheater und Experimentierfeld für interkulturelles Bühnenspiel. "Ich freue mich, dass das Konzept aufgegangen ist", sagt Cornelia Anhaus, seit 2018 kuratorische Leiterin des Werk X-Petersplatz, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Was die Aufführungen eint, ist ihr gesellschaftspolitischer Anspruch, für mich macht es dabei keinen Unterschied, ob ein Theatermacher aus Wien oder aus Teheran kommt. Ausschlaggebend ist nicht, ob jemand geflohen ist und ein schreckliches Schicksal erlitten hat, sondern seine Sicht auf das Theater."

Bei dem diesjährigen Nestroy-Theaterpreis wurden gleich zwei Produktionen nominiert: "Ungebetene Gäste: Was bleibt", eine Auseinandersetzung des Kollektivs Darum mit dem Phänomen der einsamen Begräbnisse, und Alireza Daryanavards Monolog "Blutiger Sommer" überzeugten die Jury. Beide Stücke stehen im Oktober erneut auf dem Spielplan.

Werk X-Petersplatz-Intendantin Cornelia Anhaus. - © Alex Gotter
Werk X-Petersplatz-Intendantin Cornelia Anhaus. - © Alex Gotter

Mit dem jüngsten Stück des iranischen Autors Amir Gudarzi, der seit 2009 in Wien lebt und für sein szenisches Schreiben bereits mehrfach ausgezeichnet wurde, eröffnet das Werk X-Petersplatz die neue Spielzeit: "Geleemann, die Zukunft zwischen meinen Fingern" ist ein unbequemes Stück, das von einem iranischen Asylwerber handelt, der in Wien in Untersuchungshaft sitzt. Ihm wird vorgeworfen eine Frau vergewaltigt zu haben, er bestreitet die Tat, die Medien inszenieren ihn dennoch als Monster.

Das enigmatische Stück treibt ein Verwirrspiel mit Klischees und systemischen Vorverurteilungen, die Wahrheit entgleitet dabei ständig. Regisseurin Maria Sendlhofer und ihr vierköpfiges interkulturelles Ensemble, darunter der syrische Flüchtling Johnny Mhanna und die serbische Simonida Selimović, verstehen es, dem versponnenen Text mit formaler Strenge zu begegnen.

"Ich möchte kein Flüchtlingstheater machen", so Anhaus, "mir geht es darum, dass die Geflüchteten selbst über sich sprechen und ihre Geschichten eigenständig auf die Bühne bringen. Wir haben nur die Türen geöffnet und Möglichkeiten eingeräumt. Es ist ein Glücksfall, dass wir mit so talentierten Leuten zusammenarbeiten konnten." Auch das Publikum sei, so Anhaus, bei den interkulturellen Aufführungen diverser als sonst. "Es wäre schön, wenn das kein Thema mehr wäre, wenn die Ensembles einfach so gemischt wären wie die Gesellschaft."

In der recht ausdifferenzierten Wiener Theaterlandschaft ist es keine Kleinigkeit, ein eigenes Profil zu entwickeln, zudem war die Ausgangsposition für das Werk X-Petersplatz nicht einfach: Die heutigen Werk X-Meidling-Intendanten Ali M. Abdullah und Harald Posch haben die Bühne 2009 vom Ensembletheater-Gründer Dieter Haspel übernommen und als Garage X geführt, bis sie 2014 den Sprung nach Meidling schafften, ins wesentlich größere Werk X; eine Weile dümpelte die Bühne am Petersplatz unter variierenden Namen vor sich hin, bis vor zwei Jahren Cornelia Anhaus einstieg, die vormals in der Arge Salzburg tätig war. Um Synergien in Buchhaltung, Marketing und Technik zu nutzen, sollten Werk X-Meidling und Werk X-Petersplatz unter einem Dach vereint bleiben. Eine damals in der Szene äußerst umstrittene Lösung. Mittlerweile hat man offenbar das Beste aus der Situation gemacht.

Die Saison 2020/21, die laut Anhaus auf besonders viel Publikumsinteresse trifft, bringt noch Stückentwicklungen, Ur- und Erstaufführungen, ein Musical und Stücke zum Thema Rechtspopulismus. Man darf gespannt sein.