Er hat viele Talente: Performer, Tänzer, Choreograf, Musiker, Schauspieler und Bühnenbildner. Er tanzte in renommierten Kompagnien, trat in der Heavy Metal Band COP auf, gründete die Band Rising Halfmoon und spielt mehrere Instrumente (Klavier, Violine, Gitarre, Gesang): Simon Mayer zog aus dem oberösterreichischen Andorf aus, um die Szene des zeitgenössischen Tanzes durcheinanderzuwirbeln. Heute zählt der 36-Jährige zu den angesagten Performern, tourt mit seinen Stücken durch Europa. Im Interview mit der "Wiener Zeitung" spricht Mayer über seine jugendliche Suche nach dem richtigen Kunstgenre, den universellen Volkstanz und "Being Moved".

"Wiener Zeitung": Sie zählen heute zu den Aushängeschildern der heimischen Performance-Szene. Begonnen haben Sie aber mit einer Ausbildung zum Tänzer an der Wiener Staatsoper. Wie sind Sie denn überhaupt zum Tanz gekommen?

In seinem jüngsten Stück, das am 22. Oktober im Brut im Ankersaal Premiere hat, beschäftigt sich der heimische Performer Simon Mayer mit verschiedenen Zuständen des "Bewegens". - © Femke den Hollander
In seinem jüngsten Stück, das am 22. Oktober im Brut im Ankersaal Premiere hat, beschäftigt sich der heimische Performer Simon Mayer mit verschiedenen Zuständen des "Bewegens". - © Femke den Hollander

Simon Mayer: Mein Vater ist ein Hybrid (lacht), also Musiker und gleichzeitig Banker und Landwirt. Aufgrund dessen bin ich schon in meiner Kindheit in die musikalische Schiene eingeführt worden, denn es war wichtig, dass ich mit meinen zwei Brüdern singen konnte und wir gemeinsam musizierten. Zuerst noch Volksmusik, dann haben wir schnell begonnen, Lieder der Band meines Vaters zu spielen. Meine Mutter hat Musical-Choreografien für die Landjugend gemacht.

Warum haben Sie sich dann für die Tanzausbildung entschieden?

Ich habe mich in der Volksschule in eine Mitschülerin verliebt und wollte mehr Zeit mit ihr verbringen. Sie tanzte in einer Showdance-Gruppe, worauf ich meine Mutter angebettelt habe, dass ich dort hindarf. Dann hätte ich zu den Sängerknaben sollen, das wollte ich aber nicht und schließlich wurde mir die Staatsopern-Ballettschule nahegelegt. Eigentlich wollte ich Schauspieler werden. Die Lehrerin der Showdance-Gruppe brachte als Beispiel Patrick Swayze, der zuerst Tänzer war und als Schauspieler bekannt wurde. Nachdem der erste Tanz, den ich gelernt habe, "Mambo" von "Dirty Dancing" war, war ich überzeugt.

Wann kam der Wendepunkt zum Zeitgenössischen?

Nach meiner Ausbildung tanzte ich ein Jahr als Aspirant im Staatsopernballett und dann kündigte ich. Es folgten Arbeiten mit der freien Szene in Wien etwa unter Elio Gervasi. Ich wechselte dann zum französischen Ballet des Jeunes d’Europe und von dort - nach der Zusammenarbeit mit dem belgischen Starchoreografen Wim Vandekeybus - zu Anne Teresa De Keersmaekers Brüsseler Tanzakademie P.A.R.T.S. Dort habe ich herausgefunden, was ich möchte: Nämlich mich mit dem gesamtheitlichen Zugang zur Kunst zu beschäftigen. Ich brauche das Experimentelle, das Ungewisse in der Kunst.

Der Atem als Instrument in "Being Moves". - © Femke den Hollande
Der Atem als Instrument in "Being Moves". - © Femke den Hollande

So etwa in Ihrem neuen Stück "Being Moved". Was hat Ihnen die Idee dazu geliefert?

Ich habe während der Arbeiten am Stück bemerkt, dass die Suche nach den Zuständen des Bewegtwerdens und des Bewegtseins mich schon in meinen vorigen Stücken beschäftigt hat. Es geht um Zustände, in denen man sich nicht aktiv entscheidet, sich etwa zu bewegen oder die Stimme zu verwenden - also in körperlichem Sinne. Sondern es geht darum, eine Hingabe oder ein Loslassen spüren zu lernen und das Zusammentreffen mit dem Ungewissen. Ein wichtiger Punkt in der heutigen Zeit. Meine Trance-Praxis mit Corine Sombrun hat mir gezeigt, wovon ich und das Kollektiv gerade bewegt werden. Dann ist die Thematik des Atems zu diesen Überlegungen dazugekommen. Natürlich hat Atem etwas mit Covid-19 zu tun. "Being Moved" ist kein Covid-19-Stück, aber es ist nicht möglich, sich diesem Thema komplett zu entziehen. Denn auf der Suche nach dem universellen Volkstanz, der eben eine Form des Bewegtseins und -werdens ist, habe ich bemerkt, dass der Atem eigentlich zum universellen Volkstanz geworden ist. Es ist auch wichtig, eine spielerische Herangehensweise bei diesen Themen auf die Bühne zu bringen, aber ich kann nicht nur mit Humor und spielerischen Gestus gerade in dieser Zeit agieren. Das musste ich mir eingestehen.

Zukunftswünsche?

Ich tu‘ mir gerade schwer, es auszusprechen, aber ich wünsche mir, wieder tief durchatmen zu können. Und dem Publikum nahe sein zu dürfen.