Die Performance- und Tanz-Szene hat der erste Lockdown vor einem Jahr kalt erwischt: "Es hat mit einer Schockstarre begonnen, dann folgte eine Fassungslosigkeit, wie es sein kann, dass wie mit einem Rasenmäher über meinen Tourkalender und über meine Pläne gefahren wird", erinnert sich die österreichische Performerin Doris Uhlich. Doch das Aus bedeutete nicht, Freizeit zu haben. Im Gegenteil: "Dann war mit den Absagen und dem Verschieben plötzlich enorm viel Arbeit da." Sie hatte das Gefühl, sich nur noch durch das Leben zu zoomen. "Ich habe mir damals das Lied ausgedacht: ,Zoom, zoom, zoom, Bienchen zoom herum‘", erzählt Uhlich lachend.

Doris Uhlich. - © Katarina Soskic
Doris Uhlich. - © Katarina Soskic

In dieser Zeit war für ihre Kunst kein Platz. Aber für ihre Träume: "Ich träumte, wie mein Schweiß und meine Aerosole Farben bekamen. Das war irre", erinnert sie sich. Ob sie das letzte Jahr künstlerisch beeinflusst hat? Thematisch sei es zu früh, um dies wahrnehmen zu können. "Woran ich gerade arbeite, hat entfernt mit Corona zu tun: Ich recherchiere zum Thema Schleim", sagt Uhlich. "Also wovor wir uns gerade fürchten und was in meinen Träumen so stark vorgekommen ist. Ich sag immer: ,Net jeder Rotz is schlecht‘."

Eine Szene aus Doris Uhlichs Stück "Habitat", für das die Performerin drei unterschiedliche "Pandemic Versions" kreierte. - © Alexi Pelekanos
Eine Szene aus Doris Uhlichs Stück "Habitat", für das die Performerin drei unterschiedliche "Pandemic Versions" kreierte. - © Alexi Pelekanos

Neben der jetzigen kreativen Phase, gab es 2020 für Uhlich auch Momente, in denen sie froh war, mehr Zeit zum Reflektieren, zum Ordnen zu finden. "In der Entschleunigung konnte ich einigen Ideen und Projekten mehr Raum und Zeit geben."

Ähnlich erging es auch Simon Mayer: "Im Nachhinein betrachtet, war es gut, all diese Planungen herunterzufahren und die Zeit zu haben, um zu reflektieren, was mich überhaupt glücklich macht", erinnert sich der Performer. "Es war ein guter Moment, um zu spüren: Hier stehe ich gerade. Denn, um den Zustand der Erschöpfung überhaupt wahrnehmen zu können, muss man erst stoppen. Daraus ist dann der Song ,Du dunkler Schatz‘ entstanden", so Mayer.

Simon Mayer. - © Franzi Kreis
Simon Mayer. - © Franzi Kreis

Es gäbe auch heute noch existenzielle Ängste und auch Ängste rund ums Anstecken, Weitergeben und Erkranken. "Die waren immer da und das dürfen sie auch. Sie müssen nur die richtigen Plätze in meinem System einnehmen", sagt er lachend. Das Differenzieren ist zu einem Training geworden. Er meine damit das Differenzieren zwischen dem, "was meine persönliche Angst ist, und dem, was von Medien, Nachbaren oder wem auch immer zu mir kommt."

Aber an unsicheren Boden wäre er als freischaffender Künstler gewöhnt. "Ich bin eh gut vorbereitet, habe ich mir gedacht." Glücklicherweise, meint er, unterrichte er zurzeit in Paris an der École Nationale Supérieure Des Beaux-Arts. Denn trotz Nachzahlungen aus 2019 musste er Alternativen suchen, um über die Runden zu kommen: Mayer bietet nun Online-Formate an, darunter auch künstlerische Coachings, nach denen eine hohe Nachfrage besteht. Auch Uhlich, die sich mit einer Vier-Jahres-Konzeptförderung der Stadt Wien als "in der glücklichen Lage" bezeichnet, war zuerst "kein Fan von Online-Kursen". Doch: "Das taugt mir jetzt, denn mir wurde richtig bewusst, dass das Internet in seiner Urform ein verbindendes Element ist."

Being Moved - Trailer from Simon Mayer on Vimeo.

Ihre Online-Kurse sind für die Performerin und Tanzlehrerin Nadja Puttner im Moment die wichtigste Einnahmequelle. "Mein über Jahre hinweg aufgebauter Schüler-Stamm rettet mich jetzt über die Zeit." Sie besaß 18 Jahre lang ein Tanzstudio, musste dieses jedoch im Vorjahr schließen. "Es war mir schon länger zu viel, das Studio neben meiner Auftritte zu leiten", so die heimische Tanzschaffende. Ihr Studio-Vermieter verlangte während des ersten Lockdowns die volle Miete. "Ich wusste nicht, wie es weitergeht. Ich wollte raus aus diesem hohen Risiko, und, vom heutigen Standpunkt aus, war es die richtige Entscheidung", meint Puttner.

Nadja Puttner bei der Performance-Demo "Respekt für den Tanz" im August 2020 der Initiative Tanz- und Bewegungskunst im letzten Jahr. - © Unicorn Art
Nadja Puttner bei der Performance-Demo "Respekt für den Tanz" im August 2020 der Initiative Tanz- und Bewegungskunst im letzten Jahr. - © Unicorn Art

Künstlerisch ist sie ins Stocken geraten, mit ihrer Disziplin zwingt sie sich kreativ zu sein. "Wenn man von Gastspielen lebt, steht man nun vor dem Problem, dass sich die verschobenen Vorstellungen in den meisten Spielorten stauen. Da dann wieder reinzukommen ist sehr schwer und es wird ja immer weiter verschoben." Tatenlos herumsitzen gibt es für Puttner nicht: "Ich engagiere mich für die Initiative Tanz- und Bewegungskunst, damit der Unterricht wieder live stattfinden kann". Sie arbeitete 2020 an einem Maßnahmenkatalog mit, um die Tanzstudios wieder öffnen zu können. "So weit sind wir im Moment noch nicht", meint Puttner.