Was läuft schief für Frauen am Arbeitsplatz Theater? Was sind Karriere-Killer? Sechs Theaterfrauen - Angela Heide, Bérénice Hebenstreit, Aslı Kșlal, Eva Puchner, Lisa Weidenmüller und Barbara Wolfram - haben sich vor zweieinhalb Jahren zur Initiative "Kill the Trauerspiel" zusammengetan, um einen Diskurs über diskriminierende Strukturen innerhalb der Theaterbranche in Gang zu setzen. Die "Wiener Zeitung" sprach mit der Kulturmanagerin und Performerin Eva Puchner und der Dramaturgin Angela Heide über Ziele und Anliegen der Plattform.

"Wiener Zeitung":Wofür setzt sich "Kill the Trauerspiel" ein?

Angela Heide: Wir wollen die nicht immer einfachen Lebenswirklichkeiten von Frauen auf und hinter der Bühne sichtbar machen.

Eva Puchner: Wir hinterfragen auch, was auf der Bühne verhandelt wird: Welches Frauenbild wird transportiert? Wie häufig oder vielmehr wie selten werden Autorinnen gespielt? Kommen Regisseurinnen zum Zug? Intendanten behaupten ja gerne: Ich finde keine Regisseurinnen! Wer’s glaubt! Aus der Statistik wissen wir, dass vor allem auf den großen Bühnen überwiegend Männer Stücke von Männern inszenieren - und das für ein großteils weibliches Publikum. Da muss sich was ändern!

Heide: Das sind wesentliche Aspekte, aber nur einige von zahllosen, die systematisch ineinandergreifen. Angefangen von der Ausbildung, über den Berufseinstieg bis hin zum weiteren Karriereverlauf, der für viele mit großen existenziellen Hürden und Rückschlägen verbunden ist, versuchen wir, Benachteiligungen aufzuspüren. Wir streben dabei einen intersektionalen Ansatz an, denn Ungleichheiten sind stets miteinander verschränkt und strukturell begründet.

Puchner: Wir wollen auch ein Netzwerk und Sprachrohr für Künstlerinnen sein. Ich bin davon überzeugt, dass wir mehr erreichen, wenn wir uns zusammentun. "Kill the Trauerspiel" ist eine offene Plattform, jede und jeder sind willkommen.

Gibt es Forderungen an die Politik?

Puchner: Wir haben bereits und werden auch weiterhin politische Maßnahmen formulieren. Wir haben etwa unsere Forderung nach einer umfassenden, unabhängigen Studie zum Thema Geschlechtergerechtigkeit mehrfach bei politischen Vertreterinnen vorgestellt und warten nun die Ergebnisse des landesweiten "Gender Reports" ab, der derzeit auf Initiative des Nationalrats erstellt wird. Mir ist die Überwindung des Gender-Pay-Gaps ein besonderes Anliegen. Ich hätte gern mehr Transparenz bei Gagen und Gehältern sowie der Vergabe von Kulturförderungen. Der Zusammenhang von Geld und Macht liegt auch im Kulturbereich auf der Hand: Wohin fließen die großen Fördersummen? Wer leitet die auch international viel beachteten Kulturtanker? Wie viel davon können Frauen verwalten? Quoten und Regelungen können dabei schon weiterhelfen.

Heide: Obwohl eine Quote gerade bei Intendantinnen in meinen Augen noch nicht die Lösung aller Probleme bedeutet. Mich beschäftigen etwa die vielfältigen Karriere-Knick-Punkte, die Frauen im Laufe eines Arbeitslebens am Theater treffen können: Wie verläuft der Berufseinstieg? Was passiert bei der Familiengründung, funktioniert ein Wiedereinstieg in die eher familienfeindlichen Arbeitsstrukturen des Theaterbetriebs? Wie prekär leben Frauen, die alleinstehend oder für das Haushaltseinkommen alleinverantwortlich sind und eben keine Karriere machen? Wie sieht es in all diesen Fällen mit der Absicherung im Alter aus? Für mich ist ein zentraler Punkt daher auch, Altersdiskriminierung in künstlerischen Berufen anzusprechen, über die nahezu flächendeckend geschwiegen wird. Oft auch aus Scham. Es gibt viel zu tun.

Puchner: Ja, es muss sich viel ändern, damit das Theater im 21. Jahrhundert ankommt!

Hat die #Metoo-Debatte etwas in Bewegung gesetzt?

Puchner:Die Auffassung, dass es sich nur dann um Kunst handelt, wenn es wehtut, wenn man über Grenzen geht, haben wir, hoffe ich, damit hinter uns gelassen.

Heide: Jeder Intendant, jede Intendantin wird sich in der Öffentlichkeit gegen Machtmissbrauch aussprechen. Aber stimmt das mit den Realitäten des Theaters überein? Ändert sich mit reinen Lippenbekenntnissen wirklich etwas? Ein Bewusstsein für Missstände ist noch keine Veränderung.