Florian Krumpöck hat sich nicht nur als Klassik-Pianist und Dirigent einen Namen gemacht. Seit der Pandemie kennt ihn die Öffentlichkeit auch als wehrhaften Intendanten - ähnlich unbeugsam wie ein gewisses gallisches Dorf im Kampf gegen Rom. Kaum einer hat sich 2020 so resolut gegen die Bühnen-Lockdowns im Allgemeinen und für sein Festival, den Kultur.Sommer.Semmering, im Speziellen ins Zeug gelegt wie Krumpöck. Mit Erfolg: Das Festival im Südbahnhotel war eines der wenigen, das im Vorjahr überhaupt startete, und es verbuchte einen Besucherrekord. Die aktuelle Ausgabe bietet nun seit Juli wieder eine Fülle an literarischen und musikalischen Programmen mit Star-Künstlern. Ein Gespräch über Corona, Konflikte und die Semmering-Szene.
"Wiener Zeitung":Wie kam es zum Rekord im Vorjahr? Aus Mangel an Konkurrenz, oder weil Sie einfach so viel Programm angesetzt hatten?
Florian Krumpöck:So viel mehr war es gar nicht. Ich denke, es war eine Kombination aus dem mangelnden Angebot rundum - und dass Worte wie "Kurort" und "Höhenluft" nach wenig Corona-Risiko klingen. Außerdem fand ich durch meine Aktionen in der Öffentlichkeit mediale Beachtung, was auch dem Kultursommer nützte. Die Menschen kamen und sahen, dass unser Konzept sicher ist. Wir hatten auch keinen einzigen Corona-Fall.
Durften Sie die Saalkapazität damals zu 100 Prozent nutzen?
Im vorigen Sommer gab es keine Prozentgrenze. Es kam eine Verordnung, die 250 Menschen erlaubte, und für genau so viele habe ich den Raum bestuhlt.
Kommen wir zum heurigen Sommer: Skeptiker haben befürchtet, das Publikum könnte sich nach den langen Lockdowns von Kulturveranstaltungen entwöhnt haben und würde lieber daheim bleiben. Was ist Ihr Eindruck?
Ich muss das von zwei Seiten beantworten. Erstens als aktiver Künstler. In dieser Rolle erlebe ich viele Veranstalter, die tatsächlich große Publikumsschwierigkeiten haben. Ob das mit einem Entwöhnungseffekt zusammenhängt, wage ich aber zu bezweifeln. Ich habe dafür eine relativ profane Erklärung, nämlich dass viele Menschen jetzt weniger Geld haben. "Kurzarbeit" ist zwar ein Wort, das sich gut anhört, aber in der Praxis läuft der Wohnungskredit trotzdem weiter und wird nicht um 20 Prozent reduziert.
Als Veranstalter am Semmering erlebe ich solche Probleme aber nicht. Wir haben auch heuer wieder einen absoluten Publikumsrekord, höher als im vorigen Jahr. Damals hatten wir 12.000 Menschen hier, heuer werden es sicher rund 14.500 werden - wobei wir pro Vorstellung wieder 250 Sitze anbieten.
Muss das Publikum im Südbahnhotel FFP2-Masken tragen?
Nein, wir richten uns nach der geltenden Verordnung und führen strenge 3G-Kontrollen durch, haben aber keine zusätzlichen Vorschriften ausgegeben. Nichtsdestoweniger finde ich die Maskenpflicht bei den Salzburger Festspielen richtig, weil dort viel größere Ansammlungen stattfinden.
Im Mai hat das Ehepaar Loidolt die Leitung der Festspiele Reichenau abgegeben und das Festival kurzfristig für heuer abgesagt. Hat das Auswirkungen auf die Besucherzahlen Ihres Festivals?
Das lässt sich schwer beurteilen, weil die Festspiele Reichenau bereits im Vorjahr Corona-bedingt nicht stattfanden. Maria Happel wird das Festival ab nächstem Jahr leiten, ich bin mit ihr gut befreundet und hoffe auf eine enge Kooperation.
Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt und steigt. Wie geht es im Herbst weiter?
Es hängt stark von den agierenden Politikern ab. Ich war nie der Meinung, dass man die Kulturinstitutionen hätte zusperren müssen, im Gegenteil, ich habe das als ganz groben Fehler erachtet. Das Wichtigste sind Sicherheitskonzepte, die der Lage entsprechen. Ob der Lockdown kommt, weiß ich nicht. Fürchten tun wir uns schon alle.
Sie haben im Herbst gemeinsam mit anderen Künstlern eine Klage beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingebracht. Er soll darüber urteilen, ob die Lockdowns im Kulturbetrieb verhältnismäßig waren. Was ist der Stand der Dinge?
Der ist sehr interessant. Wir haben nicht damit gerechnet, dass der VfGH diese Klage so bald behandeln würde, weil er momentan viel zu tun hat. Aber er hat sie tatsächlich in der vergangenen Sommer-Session auf die Tagesordnung gerückt, was wir als große Anerkennung empfunden haben. Das Gesundheitsministerium hat auf unsere Klage mit 50 Seiten geantwortet. Ein schriftliches Endergebnis liegt aber noch nicht vor.
Erleben Sie derzeit noch Corona-Absagen als Pianist und Dirigent?
Im Gegenteil, jetzt werden Konzerte nachgeholt, mir scheint, alle gleichzeitig. Ich habe viel Glück gehabt, die meisten meiner Termine wurden verschoben, nicht abgesagt. Da geht’s anderen Kollegen wirklich schlechter.