Die Theaterhäuser waren Pandemie-bedingt mehr als ein Jahr geschlossen. Was wurde in dieser Zeit vermisst? Wie könnte ein neuartiges, postpandemisches Theater aussehen? Wie ließen sich Arbeitsweisen am Theater verändern? Die meisten Bühnen versuchen, einfach weiterzumachen wie bisher, eine Premiere folgt auf die nächste, alles wie gehabt.

Einen grundsätzlichen anderen Weg schlägt nun das Schauspielhaus ein. Die Bühne in der Porzellangasse verwandelt sich für die kommenden fünf Monate in ein Hotel, das neuartige künstlerische Begegnungen ermöglichen soll. "Wir wollen das Haus anders und neu bespielen, unsere Arbeitsprozesse öffnen", sagt Schauspielhaus-Intendant Tomas Schweigen bei einer Presseführung durch die Baustelle. "Dafür schien uns das Konzept eines Künstlerhotels als Begegnungszone gut geeignet." Noch wird überall gehämmert und tapeziert, doch das Hotel Schauspielhaus nimmt Gestalt an: Wo früher das Foyer war, ist nun die Hotelrezeption, statt Eintrittskarten bucht man fortan Zeit-Slots. Es gibt Nachmittag- und Abendtickets; von Mittwoch bis Sonntag kann man demnach bereits ab 16 Uhr einchecken, ab 19.30 Uhr beginnt dann das Abendprogramm. "Mal gucken, was hier passiert", soll, so Schweigen, das Motto der Besucherinnen und Besucher sein.

55 Künstlerinnen und Künstler wurden eingeladen, temporär das Hotel Schauspielhaus mit ihren Projekten zu bespielen und dafür in eines der 15 Hotelzimmer zu ziehen, die aussehen wie ein 08-15-Drei-Sterne-Hotelzimmer.

Geboten wird einiges: von Tarotkartenlesen bis Therapiestunden, von Massage bis Work-out, von Try-out bis Ausstellungen, Lesungen und Konzerten. Die Einzel-Performances werden in einem der 15 Hotelzimmer stattfinden. Auch Theaterbesucherinnen und -besucher können übrigens übers Wochenende in den Hotelzimmern übernachten, ein Zimmer kostet 65 Euro pro Person und inkludiert den Theatereintritt. Das Eröffnungswochenende vom 1. bis 3. Oktober ist bereits nahezu ausgebucht, die Hotelgäste erwartet etwa ein Konzert von Mala Herba und Wiener Burlesque-Stars. Auch eine Radiostation und zwei Fernsehprogramme werden durchgehend senden. Freilich dürfen auch ein Restaurant und eine Hotel-Bar nicht fehlen.

"Das Ganze ist als Forschungs- und Experimentierfeld gedacht. Deswegen wird es auch keinen Spielplan, sondern einen Zimmerbelegungsplan geben, auf dem man sieht, welche Künstlerinnen und Künstler gerade wo eingecheckt haben", sagt die leitende Dramaturgin Lucie Ortmann. "Thematisch kreisen wir um Themen wie Gastfreundschaft und Service aber auch Nacht und Intimität."

Der ehemalige Theatersaal wird zum zentralen Begegnungsort, hier werden die drei Schauspielhaus-Inszenierungen öffentlich geprobt und auch abends gezeigt. Am Programm stehen das Recherche-Projekt "Hallimasch Komplex", Enis Macis jüngstes Stück "Bataillon" und das Hans-Gratzer-Siegerstück "Coma" von Mazlum Nergiz. Für "Oxytocin Baby" wandert das Schauspielhaus ins Odeon aus (Premiere: 15. Oktober).

Es gilt: Einchecken und sich überraschen lassen.