Der "Schönen Wienerin" mit dem besonderen "Wiener Chic" widmet Designerin Susanne Bisovsky ihr Oeuvre. Die in Linz Geborene und in Wien Aufgewachsene stilisiert zwischen Tradition und Avantgarde, indem sie kunstvoll Klischees von Tracht und Folklore auflöst. Bisovsky studierte bei Vivienne Westwood, arbeitete mit Jean-Charles de Castelbajac und Helmut Lang zusammen und designte für Kathleen Madden. Die mehrfach Ausgezeichnete gilt international als Ausnahmeerscheinung.
Für die Premiere von "Marsch, Walzer, Polka" als Teil des Ballettabends "Im siebten Himmel" am 14. November in der Choreografie des Staatsballett-Chefs Martin Schläpfer zeichnet die Wiener Designerin für Kostüme und Bühnenbild verantwortlich. Ein Gespräch über Wiener Flair, Bisovskys Twilight-Zone und ihre unbeirrbare innere Stimme.
"Wiener Zeitung": Wie ist die Zusammenarbeit mit Staatsballett-Chef Martin Schläpfer entstanden?

Susanne Bisovsky:2018 wurde meine Arbeit in der "Süddeutschen Zeitung" umfangreich porträtiert. Einen Tag vor Erscheinen war ich am Weg nach New York und habe wegen des extremen Schlechtwetters den Anschlussflug in München um wenige Minuten versäumt. Daher mussten wir am Flughafen übernachten. Beim Frühstück lasen wir besagte Zeitung, die uns dann auch im Flugzeug nochmals und irgendwie demonstrativ überreicht wurde. Kurze Zeit später rief Martin Schläpfer an, der das Interview ebenfalls gelesen hatte. Ich glaube, davor war ich für ihn ein unbeschriebenes Blatt, aber er war aufgrund des Beitrags und der Abbildungen so begeistert, dass er mir die Arbeit an seinem Ballett "Marsch, Walzer, Polka" an der Wiener Staatsoper anbot.
Was ist Martin Schläpfer in Bezug auf Kostüme wichtig? Lässt er Ihnen komplett freie Hand?
Martin hat aus seiner langjährigen Erfahrung heraus sicherlich gewisse Prinzipien, die er benötigt, um gut arbeiten zu können. Das kommt natürlich auch aus dem Tanz selbst, wo die Tänzerinnen und Tänzer einander anfassen, halten, heben und sich gegebenenfalls am Boden wälzen. Das muss ein Kostüm gewährleisten. Und, ich glaube, er liebt Fuß und Fessel und das soll sichtbar und nicht verhüllt sein. Aber sonst hatte ich eigentlich völlig freie Hand.

Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit, wenn Sie Ballettkostüme designen, im Vergleich zu Modedesign? Wie muss ein Ballettkostüm kreiert und verarbeitet sein, um für Tänzer zu funktionieren?
Kostümdesign unterscheidet sich klarerweise von Modedesign. Nicht so sehr in den Stoffen, denn wenn es eine Idee verlangt, dann kann und muss man auch auf der Bühne fast alles verwenden, um das Ziel zu erreichen, wenn es den Tanz oder den Gesang nicht behindert. Prinzipiell ist es beim Ballett aber wichtig, dass das Material eine gewisse Elastizität und Robustheit aufweist, das ist von vorne herein klar. Bei "Marsch, Walzer, Polka" haben wir zum Beispiel mit einer sehr interessanten Technik unelastisches Material elastisch gemacht, weil die Musterung des Stoffes ideal zum Thema gepasst hat. Man versucht also mit allen Mitteln, dem Ganzen den Ausdruck zu verleihen, der dann auf der Bühne zu optimaler Geltung kommt und gleichzeitig eine spezielle Note aufweist. Bei der Mode sind solche Manipulationen und solch großes Ausagieren a priori nicht unbedingt notwendig, da kann man mehr ins Detail gehen.
Was hat Sie zu den Kostümen von "Marsch, Walzer, Polka" inspiriert? Gibt es ein Motto, einen Titel?
Das Ballettstück - als Teil von "Im siebten Himmel" - hat die Musik von Johann Strauss als Grundlage. Man kann da sicher auch eine Art Wiener Flair herauslesen und in der Interpretation von Martin Schläpfer, soweit ich es bei den Proben sehen konnte, auch sehr viel Humor und letztlich auch eine andere Sicht auf die Walzerseligkeit. Das ergibt für mich ein sehr stimmiges Bild dieser großen Stadt Wien mit ihrer imperialen Vergangenheit und den Einflüssen der vielen Völker, die sich hier vermischen. Diese Melange ist im Grunde einer meiner wichtigen und generellen Ausgangspunkte für das Design. Gott sei Dank kann ich auf der Bühne das Farbenfrohe, die Buntheit, die mir stets vorschwebt, aber auch den slawischen Charme zur vollen Geltung bringen: alles Dinge, die sich die Menschen hierzulande im Alltag kaum gestatten, weil sie dafür einen Anlass brauchen. Aber das ist eben das Schöne am Theater: Man kann eben eines machen!

In welcher Verbindung stehen Bühnenbild und Kostüme? Was entsteht zuerst und beeinflusst das andere?
Martin wollte, dass wir auch das Bühnenbild entwerfen. Da gab es von Anfang an mehrere interessante Ansätze, die aber alle wieder verworfen wurden. Vielleicht, weil sie sich wichtiger als unbedingt notwendig gemacht hätten. Das sehe ich völlig unsentimental. Musik und Tanz stehen im absoluten Vordergrund, und das Kostüm gibt dem Ganzen schließlich die zusätzliche, begehrenswerte Komponente, einen wunderbaren erotischen Touch. Das Bühnenbild jedoch sehe ich letztlich als reinen Hintergrund, als eine etwas hellere Lichtung am dunklen Waldesrand, wo - im Falle von Martin Schläpfers Choreografie - dann "Harte Elfen" tanzen. Insofern habe ich mich für einen völlig traditionellen Zugang entschieden, und ich glaube, auch dem Prospektmaler im Arsenal hat die eher seltene Arbeit an einer realen, altmeisterlichen Landschaft irgendwie Freude gemacht.
Wie ist denn die Idee einer realen, altmeisterlichen Landschaft entstanden?
Die Ausgangsbasis zu diesem Prospekt begleitet mich interessanterweise seit den Anfängen meines Studiums. Die ersten Möbel kauft man beim Tandler und ich habe zu der Zeit ein kleines Kästchen erworben, dessen Vorderfront mit eben jener Landschaft beklebt war. Wenn ich mich für etwas entscheide, dann wird alles und werden alle in dieses Bild integriert und eingebettet, bis es vom Bild aufgesogen, verschluckt wird. Die meisten Zeitgenossen fühlen sich wohl in dieser meiner Twilight-Zone. Diesmal habe ich gleich die ganze Staatsoper ins Bild integriert, und wer jemals nächtens vom Heurigen nach Hause gegangen ist, kann diese wien-typische Stimmung hoffentlich nachempfinden und sich dem bunten Häuflein Glückseliger anschließen.

Worauf legen Sie bei Ihren Kreationen besonderen Wert?
Wichtig ist, dass ich zu 200 Prozent zufrieden bin, in allem: in Idee, Design, Materialwahl, Verarbeitung und der Wirkung auf Trägerin und Träger. Man spürt das sofort, wenn die einzelnen Akteure die erste Anprobe vornehmen. Da muss ein Leuchten sein, eine Ausstrahlung, die sie dann auf die Bühne mitnehmen. Wenn es dann noch den Direktor, Choreografen und Kreateur des Balletts begeistert, fehlen nur noch das Publikum und die Presse. Aber prinzipiell folge ich unbeirrbar einer inneren Stimme, die sich jeden Tag aufs Neue beweisen muss, weil ich sie jeden Tag aufs Neue befrage. Spätestens am Tag der Generalprobe ist damit Schluss. Dann muss das Baby geboren sein.