Er gehörte zur ersten Generation türkischstämmiger Kabarettisten in Deutschland. Seit Mitte der 1990er Jahre ist Uğur Bağışlayıcı alias Django Asül, geboren am 19. April 1972 im bayrischen Deggendorf, nicht mehr aus dem deutschsprachigen Politkabarett wegzudenken. Am 5. Mai kommt er mit seinem aktuellen Programm "Offenes Visier" in den Wiener Stadtsaal. Im Interview erzählt der seit heute 50-Jährige, dessen Künstlername bei einer Blödelei mit Sparkassenkollegen auf einem Betriebsausflug 1994 entstand, warum Corona darin nicht vorkommt, was Politik für ihn als Kabarettisten unterhaltsam macht und wieso der Bayerische Kabarettpreis 2021 in seinem Schlafzimmer steht.

"Wiener Zeitung": Viele Comedians mit Migrationshintergrund stellen diesen heute auf der Bühne in den Vordergrund. Da fragt man sich: Ist das ein Bedürfnis der Künstler selbst oder erfüllen sie eine Erwartungshaltung des Publikums? Sie hingegen haben immer gepflegtes Niederbayerisch gesprochen - wollten Sie nicht als "der Türke" in eine Schublage gesteckt werden?

Django Asül: Dass ich türkische Eltern habe und ab meinem ersten Lebenstag in Niederbayern sozialisiert wurde, sind Kriterien, auf die ich null Einfluss hatte. Aber das ist natürlich eine lustige Kombination. Gerade weil mein Alltag immer schon viel stärker vom Niederbayerischen als vom Türkischen dominiert wurde. So gesehen war es logisch, dass auch meine Programme nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich entsprechend gewichtet waren und sind. Ende der Neunziger war ich quasi ein doppelter Exot. Aber eigentlich wurde und werde ich speziell außerhalb von Bayern eher mit dem Bajuwarischen in Verbindung gebracht. Und meine originäre Sprache ist nun mal das Niederbayerische. Das ist ja bei mir keine Masche. Ich kann schlicht keine andere Sprache, die näher am Deutschen dran wäre. Und zur Erwartungshaltung: Das Publikum erwartet völlig zu Recht ein hohes Niveau an Unterhaltung mit Substanz. Und mein Publikum weiß nach all den Programmen sowieso, dass ich, was das türkische Leben betrifft, auch nur Beobachter bin. Was es aber garantiert will: meine ureigenen Geschichten. Drum habe ich auch eine ganz strikte Trennung: Ein Programm wie "Offenes Visier" transportiert meine Geschichten. Der Jahresrückblick, den ich stets nur im Dezember und Januar spiele, greift die Geschehnisse des Jahres auf.

Hat sich Ihr Stil insgesamt verändert in diesen bald drei Jahrzehnten auf der Bühne? Gibt es Themen oder auch Figuren von damals, zu denen Sie bis heute immer wieder zurückkehren?

Es wäre ja furchtbar, wenn ich jetzt mit 50 Jahren nur ein Abklatsch von mir selber mit 25 Jahren wäre. Natürlich muss man sich selber als Typ treu bleiben, sonst wird man auch nur zur Karikatur seiner selbst. Aber ich hoffe mal sehr, dass ich in Sachen Präzision und Tiefgang auf einem anderen Level bin als damals. Spoiler: Das wird mir zum Glück auch bestätigt von Leuten, die mich seit meinen Anfängen kennen. Ob diverse Bühnenfiguren von einst auftauchen, hängt oft davon ab, welchen Blickwinkel ich auf ein Thema präsentieren will. Unterm Strich ist das Erstellen eines Programms aber immer noch jedes Mal eine spannende Reise, weil ich da oft vom Hundertsten ins Tausende komme und am Ende mich selber überrasche.

Hat sich die Politik, die Sie kommentieren, in diesen 25 Jahren zum Besseren oder zum Schlechteren verändert?

Ob Politik besser oder schlechter wird, hat mich vom Kreativen her nie beschäftigt. Für mich ist das Unterhaltsamste immer die Kluft zwischen den vorgeblichen und den tatsächlichen Beweggründen der Politik. Das hat für mich eindeutig am meisten satirisches Potenzial. Aber einfach nur auf der Bühne zu erzählen, was die Politik falsch macht, langweilt mich eher. Da können die Zuschauer gleich die Nachrichten schauen, statt ins Kabarett zu gehen. Spannend wird es, wenn Entscheidungen nicht sachbezogen getroffen werden, sondern aus Rücksicht auf Koalitionspartner oder Lobbyisten. Und das ist ja in den meisten Fällen der Fall.

Auch bei der neuen Ampel-Koalition?

Die hatte das Glück, dass die CDU sich größte Mühe gegeben hat, nicht gewählt zu werden. Daraus wurde dann das Pech, dass SPD und Grüne sich mit der FDP arrangieren mussten. Wenn aber drei grundverschiedene Parteien jeweils was für ihre eigene Klientel rausholen wollen, entsteht daraus ein hochamüsantes Regierungsprogramm nach dem Prinzip Kraut und Rüben. Und wenn dann noch in Zeiten explodierender Energiepreise ein grüner Wirtschaftsminister Gas und Öl en masse in den Emiraten einkauft, wird die grüne Realität von der grauen Wirklichkeit getoppt. So schnell wird aus Aufbruchstimmung tatsächlich Abbruchstimmung.

Wie haben die Bayern den Kanzlerwechsel und das Scheitern von Markus Söder als Kanzlerkandidat verkraftet?

Da konnte schnell der Eindruck entstehen, dass die Aktionen der Unionisten Markus Söder und Armin Laschet stark davon abhingen, ob zum Frühstück nur Tee oder starker Kaffee getrunken wurde. Entsprechend erratisch war dann die jeweilige Tagesform mit dazu passenden und gerne mal täglich wechselnden Meinungen. Aber die Deutschen haben Angela Merkel immer gerne gewählt, weil sie Stillstand und Lethargie garantierte. Ihr nunmehriger Nachfolger Olaf Scholz versprach im Wahlkampf, ebenso konsequent auf Behäbigkeit zu setzen. Von daher dürfte die Zufriedenheit mit dem neuen Kanzler überwiegen.

Welche Rolle spielt Corona im Programm? Haben Sie es adaptiert oder lassen Sie das Virus bewusst draußen?

So was gehört zum Beispiel ganz klassisch in meinen Jahresrückblick und nicht ins "Offene Visier".

Wie ging es Ihnen in den Lockdowns? Haben Sie gelitten, weil Sie nicht auf Tournee gehen konnten, oder die Ruhe daheim genossen?

Ich habe eigentlich jeden freien Tag genossen. Das ist der Vorteil, wenn man seit Geburt in einem kleinen Ort ist und entsprechend bestens vernetzt. Ob Freunde oder Familie - da gab es immer genug Möglichkeiten zur intensiveren Kontaktpflege. So gesehen habe ich immer schon mein Leben neben der Bühne gehabt. Eine Pandemie gleich in meinen Anfangsjahren hätte mir da natürlich deutlich stärker zugesetzt. Da ist es echt schade um all die jungen Kollegen und Kolleginnen, die da so jäh ausgebremst wurden und werden.

Was sind denn so die großen Themen, die Sie in Ihrem Programm umtreiben?

Als hätte ich es damals schon geahnt, habe ich Solidarität und Nachhaltigkeit als große Linien im Programm. Und die Komik besteht vor allem in meinen eigenen Versuchen, diese Schlagworte in meinem eigenen Alltag umzusetzen. Und nebenbei gebe ich sachdienliche Tipps zum Thema Wohnen und Reisen in Zeiten von Wohnraum- und Energieknappheit. Ich hätte nie gedacht, dass dabei so viel Komik und Slapstick entstehen. Drum ist das Programm auch unheimlich leichtgängig, weil es keinen moralischen Zeigefinger präsentiert, sondern eher mein eigenes Unvermögen, den eigenen und auch fremden Ansprüchen zu genügen. Zudem erfährt das Publikum auch, warum Malta das optimale EU-Land ist. Und warum ich selber mal Lehrer war. Ohne zu viel zu verraten: Es hängt alles mit allem zusammen.

Sie haben auch E-Bikes und selbstfahrende E-Autos aufs Korn genommen. Überholt uns da der eigene Fortschritt?

Stimmt, da habe ich mal eine Nummer für den Bayerischen Rundfunk fabriziert. Ich bin selber E-Bike-Fan! Das ideale Taxi vor Ort und Reisemittel für entspannte Touren. Vor allem, weil ich den Strom direkt und gratis von der Sonne tanke. Ich brauche also kein Kohlekraftwerk, um radeln zu können. Und zum Thema Fortschritt: Wir können tagtäglich feststellen, dass das technisch Machbare und das Sinnvolle nicht zwangsläufig deckungsgleich sein müssen.

Wo steht denn der Bayerische Kabarettpreis, den Sie 2021 bekommen haben?

Die Trophäe steht natürlich neben diversen anderen Auszeichnungen in guter Sichtweite zu meinem Bett. So werde ich gleich nach dem Aufwachen daran erinnert, dass ich gefälligst meiner Verantwortung als Kabarettist nachzukommen habe. Es geht also darum, in erster Linie das Publikum und erst in zweiter Linie mich selber zu unterhalten. Da kann man als sensibler Künstler sonst schnell durcheinanderkommen.

Haben Sie eigentlich jemals bereut, doch nicht Bankkaufmann oder Tennislehrer geworden zu sein?

Sparkassler bleibt man ein Leben lang - das ist ja nicht nur ein Job, sondern ein Auftrag zum redlichen Umgang mit finanziellen Mitteln. Und glücklicherweise kenne ich so viele herausragende Tennistrainer, dass ich mir sicher bin: Die Tenniswelt kann es verkraften, dass ich meine Tennispädagogik dem Markt entzogen habe. Aber bis zum soliden Anlauf der Kabarettkarriere war das Tennislehrerdasein eine sehr sinnvolle Maßnahme.