Gustav Mahler zählt wohl unbestritten zu den (Künstler-)Persönlichkeiten, die die Wiener Staatsoper am nachhaltigsten geprägt haben. Sein Amtsantritt als Direktor jährt sich im Herbst zum 125. Mal. Ein Umstand, den Bogdan Roščić feiert, indem er seinem Vorgänger die dritte von ihm verantwortete Spielzeit an der Staatsoper widmet. Wer Bogdan Roščić kennt, weiß, dass es dabei kaum um einen verklärten Blick in die vermeintlich glorreiche Vergangenheit geht oder gar um einen Rückgriff auf die Ästhetik dieser Zeit. Im Zentrum stehen für Roščić als eine Art Inspiration die Haltung und die Herangehensweise Gustav Mahlers an das Genre Oper: "Der Weg nach innen in die Werke, im Vertrauen auf deren Kraft." Eine Methode, die nur auf den ersten Blick klingt wie eine Selbstverständlichkeit. Die Praxis widerlegt dies allzu oft.

Dieses vertrauensvolle Hineinhorchen in den wundersamen Kosmos Oper geschieht in der kommenden Saison bei sieben Neuinszenierungen. Zum Auftakt gibt es ein szenisches Mahler-Projekt: Regisseur Calixto Bieito und Dirigent Lorenzo Viotti bringen das Märchenspiel "Das klagende Lied" sowie Gustav Mahlers "Kindertotenlieder" auf die Bühne. Auf dieses ungewöhnliche Projekt mit dem Titel "Von der Liebe Tod" folgt ein Premieren-Trio, bei dem der Musikdirektor des Hauses, Philippe Jordan, selbst am Pult steht: Bei Wagners "Meistersinger" debütiert Keith Warner als Regisseur am Haus, bei Richard Strauss’ "Salome" stellt sich der junge französische Regisseur Cyril Teste in Wien vor und bei Mozarts "Nozze die Figaro" schließlich setzt Barrie Kosky den vergangene Saison begonnenen Da-Ponte-Zyklus fort.

Künstlerische Kontinuitäten

Den Monteverdi-Zyklus setzt die Staatsoper nach "Poppea" und "Orfeo" mit "Il ritorno d’Ulisse in Patria" fort, das bedeutet ein Wiederhören des Concentus Musicus’ unter Pablo Heras-Casado sowie von Georg Nigl und Kate Lindsey. Regie führen Jossi Wieler und Sergio Morabito. Auch Bertrand de Billy dirigiert wieder eine Premiere: Bei Poulencs "Dialogues des Carmélites" führt die junge Salzburgerin Magdalena Fuchsberger Regie. Zu diesen sechs Neuproduktionen kommt eine Jugendoper-Premiere, Ludger Vollmers gleichnamige Adaption des Herrndorf-Romanerfolgs "Tschick".

Dass Bogdan Roščić sein künstlerisches Pulver nicht in den Premieren verschießt, zeigt ein Blick ins Repertoire, in dem insgesamt 44 Werke auf dem Spielplan stehen werden. Dort finden sich renommierte Hausgäste wie Nina Stemme, Piotr Beczala, Elina Garanca, Asmik Grigorian oder Jonas Kaufmann, Starbass Günther Groissböck ist sogar als Ensemblemitglied verpflichtet. Sein Hausdebüt gibt indes Florian Boesch im Mahler-Abend.

Neuerung gibt es im Ticketsystem und auch bei den in der Opernszene legendären Stehplätzen des Hauses, wie Geschäftsführerin Petra Bohuslav ankündigte. In zwei Stufen wird ihre Zahl von 567 auf 449 reduziert, die Plätze werden nummeriert, preislich gestaffelt und für Stammgäste sogar vorab online buchbar. "Wir haben nicht nur zum Teil die teuersten Karten der Opernwelt, wir haben auch weiterhin die günstigsten", unterstrich Bogdan Roščić, der sich um eine Verlängerung seines Vertrages als Direktor bewerben wird: "Ein Haus, das sich Staatsoper nennt und damit von allen finanziert und ermöglicht wird, hat auch für alle da zu sein."