Der Einband des gedruckten Saisonprogramms des Burgtheaters ist eine Art Leporello. In einem langen, langen Foto schmiegen sich alle Ensemblemitglieder des Theaters aneinander. Eine Nähe, die man schon gar nicht mehr gewohnt ist. Die Pandemie hat das Burgtheater wie alle gefordert, aber, wie Direktor Martin Kušej erzählte, waren es die letzten Monate und Omikron, die am schlimmsten waren in diesen prekären zweieinhalb Jahren. Bei einer Premiere war bis eine halbe Stunde zuvor nicht klar, ob sie stattfinden kann. Diese hatte Glück, viele andere Aufführungen wurden abgesagt oder umbesetzt. Die Auslastung hat sich von zeitweise unter 60 Prozent erholt und geht laut kaufmännischem Direktor Robert Beutler im Mai "in Richtung 63 Prozent".

Passend zum Ensemble-Faltfoto ist das Motto der kommenden Spielzeit "Du bist nicht allein". "So effektiv und emotional wie der Roy-Black-Song", sagte Kušej. Auf dem Spielplan stehen 25 neue Produktionen, darunter Uraufführungen von Peter Handke ("Zwiegespräch"), Yasmina Reza (die Romanbearbeitung "Serge") und Daniel Kehlmann (die Filmadaption "Nebenan"). Insgesamt wird es elf Ur- bzw. Erstaufführungen geben.

Regisseurinnen in der Überzahl

Martin Kušej wird selbst zwei Stücke inszenieren: "Drei Winter" von Tena Štivičić, ein Epos über drei Generationen einer Zagreber Familie, und Kehlmanns "Nebenan". Hier werden die Rollen von Daniel Brühl und Peter Kurth, Florian Teichtmeister und Norman Hacker übernommen. Ein wahres Starvehikel wird Dostojewskis "Die Dämonen" ("Selbstverständlich darf man russische Autoren spielen", so Kušej auf eine gar nicht gestellte Frage) mit Nicolas Ofczarek und Birgit Minichmayr (Regie: Johan Simons). Eine große Frauenrolle bietet Thomas Bernhards "Am Ziel" für Dörte Lyssewski (Regie: Matthias Rippert), Frauen sind übrigens auch in der Überzahl im Regiesessel in dieser Saison. Wie zuletzt Marianne Fritz und Anna Gmeiner werden auch im neuen Programm Autorinnen aus der unverdienten Vergessenheit geholt: in einer Koproduktion mit den Salzburger Festspielen Marie Luise Fleißers "Ingolstadt" (Regie: Ivo van Hove) und Maria Lazars "Die Eingeborenen von Maria Blut" (Regie: Lucia Bihler). Auch mit der Ruhrtriennale gibt es eine Zusammenarbeit: Schnitzlers "Das weite Land", inszeniert von Barbara Frey.

"Die gefesselte Phantasie" von Ferdinand Raimund in der Regie von Schräg-Experte Herbert Fritsch wird wohl das ein oder andere Latexkostüm beinhalten, Nils Strunk wiederum wird "Die Zauberflöte" sehr frei umschreiben. Neben Handke sind noch zwei Nobelpreisträger am Start: Thomas Manns "Zauberberg" wird die auch in der heutigen Zeit merkbare "große Gereiztheit" ausloten, die irische Truppe Dead Centre wird sich in "Chopins Herz" einer Geschichte von Olga Tokarczuk annehmen.

Vizedirektorin Alexandra Althoff verlässt mit Saisonende das Haus, als Nachfolgerin präsentierte Kušej Katrin Hiller, derzeit künstlerische Betriebsdirektorin am Schauspiel Düsseldorf.