Ein Opernabend als Kontrapunkt. Zum einen aufgrund des sommerlichen Aufflackerns der Temperaturen. Zum anderen angesichts der kulturpolitischen Diskussion über den Umgang mit russischen Musikschaffenden bis hin zum (arg absurden) Absetzen von bestimmten Komponisten.
Die Entscheidung zur Wiederaufnahme von Modest Mussorgskis "Boris Godunow" an der Wiener Staatsoper war vor etlichen Monaten gefallen, und doch wirkte das Werk passend und unpassend zugleich. Auf die Aktualität des Stoffs in Anbetracht des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verwiesen eine Ansage und ein Vermerk auf dem Programmzettel. Zum packenden Opernabend wurde die Vorstellung am Mittwoch allerdings nicht. Eine dröge Müdigkeit schien den Ton anzugeben. Gespielt wird die Urfassung in der Inszenierung von Yannis Kokkos. Das sich wiederholende kurze Warten auf die nächste - fast dauernd in drückender Dunkelheit oder sauerstoffarmem Gold gehaltene - Szenerie kam der Konzentration nicht zu Gute.
Michael Güttler am Pult eines sehr flexibel zwischen feinsinnig und wuchtig pendelnden Orchesters tat, was er konnte, um zu koordinieren. Gut bis medioker die Besetzung: Dem ukrainischen Hausdebütanten Alexander Tsymbalyuk als Boris gelang beim Abschied von Fjodor (Isabel Signoret) ein berührender Moment. Wohltönend der Pimen von Vitalij Kowaljow, markant Dmitry Golovnin als Grigori. Recht glaubhaft kamen Thomas Ebenstein als Intrigant Schuiskij und Ilja Kazakov als Warlaam über die Rampe.