Lachen oder nicht lachen, das ist die Frage bei den meisten Komödien, die heute über Wiener Bühnen stolpern. Im Fall der "Kleinbürgerhochzeit" in den Kammerspielen der Josefstadt stellt sich die Frage anders, nämlich: Wie laut darf gelacht werden?

Es war ziemlich laut, und das durchgehend während der knapp eineinhalb Stunden pausenlosen Aufführungsdauer.

Bertolt Brechts Komödie, geschrieben im Alter von 21 Jahren, ist ein Stück anarchischen Irrsinns, den Philip Tiedemann jetzt für die Kammerspiele leicht variiert wiederholt. Im Jahr 2000 hatte er es auf die Bühne des Berliner Ensembles gebracht, wo es 17 Jahre lang bis zur Ende der Ära Claus Peymann lief. Man kann sich ja überhaupt des Gefühls nicht erwehren, dass die Josefstadt derzeit um Peymann kreist. Gut so!

Ehe Brecht zu Brecht wurde

Das Mobiliar hat seinen eigenen Willen: Katharina Klar und Jakob Elsenwenger. - © Moritz Schell
Das Mobiliar hat seinen eigenen Willen: Katharina Klar und Jakob Elsenwenger. - © Moritz Schell

Die "Kleinbürgerhochzeit" ist Brecht, ehe Brecht zu Brecht wurde und seine Theorie des epischen Theaters mit Stücken exemplifizierte - und auf ihre Weise ein Geniestreich. Da läuft, das ist der ganze Inhalt, eine Hochzeitsfeier aus dem Ruder.

Daneben geht, was daneben gehen kann: Das Menü ist seltsam genug, aber wenigstens passt die Beleuchtung, die "das richtige Licht für einen Kabeljau" ist. Darauf folgen Fremdflirten, Fremdfusserln, Eifersucht, das Geheimnis der Braut wird ausgeplappert - und immer wird der Vater der Braut mitten in seinen Anekdoten unterbrochen. Und dann beginnt sich die vom Bräutigam renovierte Wohnung aufzulösen. Der Fußboden bricht ein, die selbst gezimmerten Möbel geben nach, die Stühle verlieren ihre Beine, die Chaiselongue knickt zusammen, der Plafond fällt herunter. Da verziehen sich die Gäste. Das Brautpaar versinkt in den Erdboden.

Klingt das in den Wiederholungen der Sinnlosigkeit nach Theater des Absurden? Das zusammenbrechende Mobiliar könnte doch glatt eine Idee von Eugène Ionesco sein.

Brechts Vorbild waren freilich die absurden Szenen Karl Valentins. Die Herkunft vom Sketch merkt man der "Kleinbürgerhochzeit" an. Ein Konvolut aus grellen Szenen ist sie, die Brecht, indem er sie am roten Faden der Hochzeitsfeier aufhängt, zur abendfüllenden Komödie erklärt.

Und was soll Regisseur damit anfangen?

Ja, gewiss, Brecht ist Brecht, auch ehe er Brecht wurde. "Bürgerhochzeit" war der ursprüngliche Titel, und er wäre besser gewesen, denn Brecht geht es um das Demaskieren des Bürgertums. Dessen schale Rituale dreht er durch den Fleischwolf. Ganz im Sinn seines Nachfolgers Friedrich Dürrenmatt beendet er eine Idee erst, wenn sie die schlimmstmögliche Wendung genommen hat, die in diesem Fall die hemmungslose Lächerlichkeit ist. Die Personen sind namenlose Typen: Der Vater der Braut, die Braut, die Mutter des Bräutigams, der Bräutigam und dergleichen. Man kann im Text nach sozialkritischen Ansatzpunkten fahnden und eventuell feststellen, dass die selbstgezimmerten Möbel eher ein Resultat von Geldknappheit sind als von Bastelleidenschaft. Man wird auch im Text die eine oder andere Bemerkung finden. Nur wäre es unsinnig, diesen Brecht als Brecht zu spielen.

Pure Komödie

Und so spielt ihn Tiedemann im grandios zerfallenden Bühnenbild Alexander Martynows, fallweise begleitet von Richard Wagners "Lohengrin"-Hochzeitsmarsch, den Henrik Kairies angeschrägt hat, als pure, brillant überdrehte Komödie: André Pohl als Vater der Braut mit vertrockneter Würde, Susanne Wiegand als Schwester der Braut mit einer fulminanten Parodie einer TV-Serien-Ulknudel, Therese Lohner als immer beflissene Mutter des Bräutigams, Michaela Klamminger als die Männer allzu anziehende Schwester der Braut, Roman Schmelzer als ihr steifer Mann, Markus Kofler als flirtfreudiger Freund des Bräutigams und Jakob Elsenwenger als der junge Mann, dessen Gipsarm der Wand die ersten Blessuren beibringt; Katharina Klar und Alexander Absenger als Brautpaar sind hilflose Gefangene dieses Irrsinns. Ganz am Schluss haben sie einen Moment der Poesie. Eine Befreiung?

Ovationen am Schluss, Glücksgefühle auf dem Nachhauseweg. Brechts Theater sollte eine Bühne der Erkenntnis sein. Manchmal aber ist die allerbeste Erkenntnis eines Theaterabends das Lachen.