Genau so war das Öl-Geschäft - eine Welt voller menschlicher Raubvögel", heißt es einmal treffend in Upton Sinclairs "Öl". Der 1927 erschienene monumentale Roman über die Anfänge der amerikanischen Öl-Industrie dient Regisseur Sascha Hawemann nun als Ausgangspunkt für ein szenisches Panorama am Volkstheater.

Der Theaterabend mit dem Titel "Öl!" verwendet Versatzstücke und Personal aus Sinclairs Roman, erweitert das epische Spektrum noch um allerlei Episoden, die irgendetwas mit Öl zu tun haben. Darunter dramatische Szenen wie die OPEC-Geiselnahme in Wien im Jahr 1975, die auf der Bühne als halblustige Terror-Impro rüberkommt, oder ein Massaker einer serbisch-paramilitärischen Spezialeinheit während des Jugoslawienkriegs, das sich offenbar in unmittelbarer Nähe eines Ölfelds ereignete, auf der Bühne als raue Videoeinspielung zu sehen. Aber auch Anspielungen auf den antiken Mythos - Prometheus, der den Menschen das Feuer brachte - tauchen in der Bühnenfassung auf, die Regisseur Hawemann mit Anne-Kathrin Schulz erstellte. In Nebensätzen tauchen freilich auch die gegenwärtigen Klimabewegungen auf. Ein Bühnentext voll bester Absichten und politisch korrekter Ansichten.

Austern und Hungerlöhne

Darin liegt wohl das Kernproblem dieser Inszenierung, die sich in die Tradition dekonstruktiver Theaterarbeit einreiht. Freie Bühnenbearbeitungen leben genau davon, dass überraschende Ergänzungen einem altbekannten Stoff eine völlig neuartige Perspektive verleihen. Siehe: Frank Castorf, der diese Disziplin zur Meisterschaft erhob. "Öl!" zerfranst indes inhaltlich und driftet zweieinhalb Stunden lang zunehmend in Beliebigkeit ab.

Szenisch versucht das hellwache Volkstheater-Ensemble zu retten, was zu retten ist. Das meiste Potenzial liegt dabei in den Szenen, die direkt aus Sinclairs Roman entlehnt sind.

Andreas Beck verkörpert J. Arnold Ross, der es mit Ehrgeiz und Skrupellosigkeit vom Maultiertreiber zum Ölmagnaten gebracht hat. Ross hat sich hochgearbeitet und ist nun verzweifelt darum bemüht, den Reichtum nicht nur zu bewahren, sondern auch zu genießen. Beck schlürft Austern, während die Arbeiter auf seinen Ölfeldern zu Hungerlöhnen schuften.

Elias Eilinghoff stellt seinen Sohn Bunny dar. Im Roman ist Bunny hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu seinem Vater, dem Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit und der Gier nach Leben, die den "roten Millionärssohn" in das Nachtleben der Roaring Twenties führt. Eilinghoffs Bunny ist am Volkstheater Mittler zwischen den Szenen aus dem Roman und den Gegenwarts-Bezügen, Stichwort: Klimakrise. Durch die sprunghaften Textpassagen wird Eilinghoffs Figur kaum greifbar, der Schauspieler versucht das mit spielerischem Enthusiasmus wettzumachen. Auch Samouil Stoyanov setzt sein ganzes Theatertemperament ein, um den disparaten Abend zusammenzuhalten, einzelne Auftritte gelingen, durchaus, fabelhaft ist etwa Stoyanovs Einsatz am Schlagzeug. Marvin Kanas Videobilder bannen eindrücklich die erdölbedingte Umweltverschmutzung auf die große Leinwand - brennende Ölfelder, zahllose Tierkadaver.

Fraglos hat Hawemanns Inszenierung starke Momente, aber insgesamt vermag das ambitionierte Unternehmen nicht restlos zu überzeugen. Auch wenn manche Zitate ob ihrer unschlagbaren Schlichtheit hängen bleiben: "Ich will kein Geld, ich will eine andere Welt." Ach.