"Vier Bier, or not vier Bier - that’s the question", austroamerikanert Jango Edwards daher, bevor er unzählige Bierdosen auf seiner eigenen Stirn plattmacht. Nicht viele Künstler kommen mit einer derartigen Shakespeare-Interpretation davon, doch der in Detroit aufgewachsene Clown-Wildling machte sich hierzulande besonders durch derlei Exzesse in Helmut Zenkers Wahnsinnsserie "Tohuwabohu" einen Namen: als Enfant terrible höchster Güte. "Die Sendung war geradezu avantgardistisch! Damit war Zenker seiner Zeit voraus und hat die Zuschauer ordentlich herausgefordert", amüsiert sich Jango Edwards noch heute über die Serie aus den 1990ern. Mit Darstellern wie Hans Orsolics, Jazz Gitti, Tony Wegas und Sigi Maron wurde "Tohuwabohu" zum Kultformat im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. "Und jetzt stell dir mal all das Material vor, das nicht gezeigt wurde!", lacht Edwards: "Da war so viel dabei, was einfach zu hart fürs Fernsehen war."

Langgedienter Stringtanga

Doch das ist nur ein kleines Kapitel aus mehr als 50 Jahren Bühnenkunst von Jango Edwards, die nun ein Ende findet: Er hat nicht mehr viel Zeit auf diesem Planeten. Der Krebs hat zugeschlagen. Ginge es ihm den Umständen entsprechend, dann ginge es ihm gar nicht rosig - aber er behält sein entwaffnendes Lachen trotz allem bei. "Letzten Sommer hat es geheißen, dass er noch ein halbes Jahr, Jahr zu leben hat. Seither versucht er möglichst viel zu regeln und arbeitet intensiv an seinem Vermächtnis", sagt Andreas Swatosch, der zu den tragenden Säulen des Wiener Circus- und Clownmuseums zählt. Außerdem tritt er mit seinem Bruder Michael Swatosch unter dem Namen Fools Brothers auf - und als solche arbeiten sie schon jahrelang mit Edwards an irrwitzigen Programmen zusammen.

Dem Museum vermacht die Clownlegende nun den Großteil seines Nachlasses, so Andreas Swatosch: "Dazu gehören Poster und Originalfotos aus den 1970ern, hunderte Videos und andere Schätze, die wir für die Nachwelt aufbewahren und digitalisieren." Ebenso zu sehen sind zahlreiche Kostüme, von der Haube seiner Nummer "Hari Christmas" bis zu seinem langgedienten Stringtanga. Viel mehr Stoff braucht Jango Edwards nicht.

Jango Edwards in der ORF-Wahnsinnsserie "Tohuwabohu". 
- © Circus- und Clownmuseum Wien

Jango Edwards in der ORF-Wahnsinnsserie "Tohuwabohu".

- © Circus- und Clownmuseum Wien

In diesem Museum also will Edwards noch ein allerletztes Mal auf die Bühne treten. "Ich zeige dabei Filme und private Fotos, die noch niemand gesehen hat", sagt der Clown vor seinem Abschied: "Dazu erzähle ich Geschichten aus meinem Leben, die mich zu dem gemacht haben, was ich heute bin: ein D.C.W. - also ein Dead Clown Walking."

1950 in Detroit geboren, wuchs Jango Edwards zwischen Motown, Hippies, Proto-Punks und Bikergangs auf: Bei seiner Entfaltung war die Brutalo-Komikertruppe The Three Stooges genauso wichtig wie Punk-Übervater Iggy Pop und dessen Stooges: "Iggy ist ein Freund von mir, ich hab mit ihm gearbeitet, genauso wie mit der Band Kiss", sagt Edwards grinsend: "Denen hab ich Feuerschlucken und ihr Make-up beigebracht."

Nouveau Clown

In jungen Jahren wollte er Journalist werden, endete aber vorerst als Gartenarchitekt - und machte schon viel Geld, bevor er 20 war. Wirklich zufrieden war er trotzdem nicht, es fehlte ihm eine gewisse überirdische Qualität - und seither hat er wenig ausgelassen. "Ich habe damals einen Trip durch Europa gemacht, mir verschiedene Philosophien und Religionen einverleibt - und viele Drogen", sagt Edwards. Am Ende der Reise landete er in Marokko: "Dort hab ich fünf LSD-Hits genommen, während ich das Buch ‚The Fourth Way‘ von George Gurdjieff gelesen habe, wo verschiedene Religionen kombiniert werden." Es folgte eine Art von Erleuchtung, die bis heute hält.

Wenn nicht ein paar Zuschauer empört gehen, hat er versagt, findet Jango Edwards. - © Circus- und Clownmuseum Wien
Wenn nicht ein paar Zuschauer empört gehen, hat er versagt, findet Jango Edwards. - © Circus- und Clownmuseum Wien

Edwards zog nach Europa, um dort die lange Tradition der Zirkusse genauer zu studieren - und sie als Nouveau Clown mit subversiver Kraft aufzupeppen. Er lebte in London, Amsterdam, Paris, Barcelona - und kam immer wieder nach Wien. Es war nicht ganz einfach, sich als "branchenfremder" Clown zu etablieren, blickt Edwards zurück: "Die Profession des Clowns wird normalerweise in einer Familie von einer zur nächsten Generation weitergegeben, es gibt ganze Clown-Stammbäume. 16 Jahre hat es also gedauert, bis ich dann tatsächlich ein Clown geworden bin."

Festival der Narren

Sein Mentor war der aus einer rechtschaffenen Clownfamilie stammende Carlo Colombaioni - und so gelang es Edwards doch schon früh, zu einer rebellischen Instanz zu werden: Er gründete etwa 1975 das Amsterdamer "Festival of Fools", das zum zentralen Treffpunkt der alternativen Clownszene wurde. Zu seinen Zuschauern gehörten schon bald Salvador Dalí, Catherine Deneuve und Federico Fellini.

Clown zu sein ist für Jango Edwards etwas Spirituelles, Philosophisches, Befreiendes. Die zwei Lektionen seines Lebens: "Erstens, erkenne, wer du bist, und akzeptiere es. Du musst nichts daran ändern, nur ehrlich damit umgehen. Und zweitens: Hilf dir selbst, indem du anderen hilfst." Die Figur des Clowns - neu ausgelegt - wurde für ihn die Möglichkeit, genau das zu tun, und zwar ohne Scham und Eitelkeit. "Clowns sind die freiesten Menschen und die besten Schauspieler, die es gibt!", so Edwards: "Ich kann überall jederzeit alles machen. Ein Clown kennt keine Grenzen. Ein Clown schaut, wie weit er gehen kann - und natürlich habe ich mich dabei oft auch verschätzt." Doch schon in seinen Dreißigern hatte er eine Bandbreite erreicht, die sich andere nicht einmal vorstellen können: "Ich machte eine Show für die Königin der Niederlande, eine für Junkies in einem Methadonprogramm, eine für Kinder mit Down-Syndrom, eine für Nonnen in einem riesigen Kloster, und eine als Opener für die Rolling Stones."

Der Nouveau Clown und Begründer des gleichnamigen Instituts sowie des Cabaret Cabron in Barcelona hatte eigene Fernsehshows, trat im Circus Roncalli auf, bekam 2012 das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien - und trotzdem hat sein Mittelfinger stets gestreckt zu bleiben, wie er selbst sagt: "Ein wichtiger Teil meiner Shows ist, dass einige Zuschauer sie verlassen, weil ich ihnen zu weit gehe. Passiert das nicht, hab ich versagt."

Hinterlassenschaften

Ob das bei seiner letzten Vorstellung im Circus- und Clownmuseum auch passiert, bleibt abzuwarten. Er arbeitet hier gerade selbst daran mit, seine Hinterlassenschaften zu archivieren, so Andreas Swatosch: "Er hat z. B. auch ‚Tohuwabohu‘-Skripts von ihm und Helmut Zenker mitgebracht, die wir sortieren müssen." Für Swatosch und Edwards ist das eher eine Fortführung als ein Ende, so der Museumsmitarbeiter: "Ziel ist es auch, die eine oder andere Jango-Idee von unserem Duo Fools Brothers und Freunden wieder auf die Bühne zu bringen." Zu den "Freunden" gehören mittlerweile schon die Kinder der Fools Brothers, die diese Nummern neu interpretieren.

Das Museum ist nach einem gelungenen Umbau in Lockdown-Zeiten also nun noch um ein paar Schatzkisten reicher geworden. "Und wir arbeiten auch daran, Jangos Buchprojekt ‚The Comic Formulas‘ fertigzustellen", sagt Swatosch: "Jango ist wirklich bewundernswert. Er trägt das alles mit Fassung und ist sich seiner Rolle als Vorbild für Generationen von Clowns und Künstlern bewusst."

Seine Krebserkrankung scheint Jango Edwards gnadenlosen Galgenhumor noch zusätzlich wachsen zu lassen. Lachen bleibt seine Waffe für die Ewigkeit, Amen. Davon überzeugen kann man sich Freitag und Samstag, wenn der waghalsige Clown zum letzten Mal auf die Bühne steigt. Und zuletzt lacht.