Der Kampf des Individuums mit sich selbst, der Kampf der Individuen um Zusammenhalt nach desaströsen Ereignissen und schließlich auch eine tänzerisch bunte und musikalische Erquickung, die die veraltete Genderthematik im Ballett ad absurdum führt, stehen auf dem Programm des neuen modernen Tanzabends in der Volksoper. "Promethean Fire" mit dem Wiener Staatsballett hatte am Wochenende Premiere.

In Paul Taylors titelgebendem "Promethean Fire" ringen acht Tänzerinnen und acht Tänzer zu Bachs "Toccata und Fuge in d-Moll" um Ordnung im Chaos, das Taylor im Spiel der Formationen widerspiegelt. Die Tänzer in schwarzen Ganzkörpertrikots auf dunkel gehaltener Bühne drehen und springen im Kanon, kreuzen einander im Zipp-System, dann wiederum finden sie zu tänzerischer Synchronität. 2002 choreografiert, ist "Promethean Fire" auch heute noch in seiner Thematik und auch im Schrittrepertoire durchaus aktuell. Und so kurzweilig, dass die gleich darauffolgende Pause überstürzt scheint.

Szene aus dem kurzweiligen "Promethean Fire" von Paul Taylor. - © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor
Szene aus dem kurzweiligen "Promethean Fire" von Paul Taylor. - © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor

Zwei Seelen in einer Brust

Ebenfalls in Ganzkörpertrikots jedoch mit geometrischen Mustern studiert der Chefchoreograf des Staatsballetts, Martin Schläpfer, nicht nur das Spiel von Bewegung und Tempi, sondern auch von Licht und Schatten. Mit zwei Tänzerinnen (faszinierend: Ketevan Papava) und vier Tänzern lotet er zu György Ligetis "Lontano" für großes Orchester auch die Synchronität zweier Pas de trois aus, die die Tänzer beinahe perfekt über die Bühne bringen.

Schläpfers zweite Miniatur an diesem Abend ist ein Solo der Tänzerin Sonia Dvořák zu Ligetis "Ramifications" für Streichorchester. Nach den klaren Linien seines ersten Stücks lässt Schläpfer nun einen energischen Zweikampf der überzeugenden Tänzerin mit sich selbst erleben: Im Kleid mit weitem, flatternden Rock ist sie einmal zart mit weichen Armen, dann wiederum lässt sie die Schultern hängen, die Arme und Beine sind steif. Zwei Seelen wohnen wohl in ihrer Brust.

Den Abend beschließt das Männerballett "Beaux" des Modern-Dance- Choreografen Mark Morris. Es ist ein buntes, erquickendes Farbenfest, dasin Bohuslav Martinůs Konzert für Cembalo und kleines Orchester sowie in seinem Lento aus "Deux Pièces" für Cembalo über die Bühne wirbelt. Die neun "Beaux" des Staatsballetts müssen in kolorierten Ganzkörpertrikots - entsprechend dem großen Bild im Bühnenhintergrund - leicht und anmutig, beschwingt und spielerisch die doch ziemlich anfordernde Choreografie umsetzen. Kein leichtes Unterfangen, das in der Darstellung durchaus gelang, schließlich dann auch die Mängel an Technik oder Flexibilität, aber ebenso Talente in den äußerst unterschiedlichen Tänzern zum Vorschein brachte.

Besonders erwähnenswert - und meist in Tanzkritiken kaum genannt - ist das Orchester der Wiener Volksoper unter der musikalischen Leitung von Jean-Michaël Lavoie, das an diesem Abend auch vom Publikum bejubelt wurde.