An der Adresse Opernring 8 wohnte nicht nur ein kleiner seidiger Panda, der es immer recht gemütlich hatte auf der Chaiselongue. Sondern auch die Besitzerin des Geschmeides, das dieser Panda auf der Brust trug: Lotte Tobisch-Labotyn. Es ist nur folgerichtig, dass in der Ausstellung "Wiener Salondame? Ein Albtraum!" in der Wienbibliothek, die der Frau, die so viel mehr war als nur Opernball-Organisatorin, derzeit gewidmet ist, nun der Teddy in einer Vitrine steht. Seine beziehungsweise ihre Orden hat er noch immer an die Brust gesteckt. Nur nicht das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, das ist fürwahr eine zu große Last für einen Plüschbären.
Im überschaubaren Ausstellungskammerl der Wienbibliothek im Rathaus haben Kyra Waldner und Tanja Gausterer aus dem Nachlass der Schauspielerin und Gesellschaftsgröße eine kleine, aber feine biografische Schau zusammengestellt, die manchen erfreulichen Akzent setzt. Man liest etwa einen Brief Lotte Tobischs, in dem sie ihrem Vater darauf antwortet, dass er ihr eine Anstellung gesucht hat. Die Schulabgängerin, die eigentlich Schauspielerin werden will, findet das reichlich voreilig. Bei den Worten "Hättest dir Zeit lassen können, glaubst nicht", hat man unwillkürlich ihre etwas strenge, gerne leicht süffisante Stimme im Ohr. Eine Konversation mit ihrem Vater gab es auch betreffend ihren 37 Jahre älteren Lebensgefährten Erhard Buschbeck. Der Chefdramaturg des Burgtheaters musste dem alarmierten Vater zugestehen, dass er selbst sich auch Sorgen machen würde an seiner Stelle, aber er betonte: "Glauben Sie mir, gedankenlos ist hier wirklich nichts geschehen und wird es auch nicht."

Buschbeck war Tobischs große Liebe, und es ist schön zu sehen, wie jemand, den man die letzte Zeit ihres Lebens als unprätentiöse Singlefrau wahrnehmen konnte, hier in einen Kontext von tief empfundener Partnerschaft gesetzt wird. Etwa mit der Intimität eines Liebesbriefs, in dem sie schreibt: "Größer als aller Schmerz, als alles Leid und Weh ist unsere Liebe. Größer auch als die Freuden und das Glück. Liebe ist das große Alles." Nach seinem Tod schrieb sie: "Mit ihm verliere ich alles, was ich habe."
Ein großes Ölgemälde dokumentiert, wie Lotte Tobisch die Gabe besaß, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein: Als Josef Dobrowsky eigentlich Burgtheaterdirektor Raoul Aslan porträtierte, sprang sie in dessen Posierpausen ein und wurde schließlich auch selbst gemalt.
Hitler und Maggi
Dokumentationen von ihren Schriftsteller- und Künstlerfreundschaften (wie Adorno, Lavant), ihren Rollen (wie Eva Braun in "Der letzte Akt", inklusive ausgeschnittener Kritik aus der "New York Times"), ein für heutige Verhältnisse Äonen langer Werbespot für Maggi und ihr Einsatz für das Künstlerheim in Baden und gegen Alzheimer - an dem ihr zweiter Lebensgefährte Michael Simon litt - fächern die Facetten eines Lebens auf. Der Opernball war da nur eine Episode, und in der Schau ist eins der amüsantesten, aber auch berührendsten Objekte ein Brief von Operndirektor Ioan Holender, der ihr seine Hochachtung ausspricht und sich gerade nicht entschuldigt bei ihr für ihre Meinungsverschiedenheiten.
Es passt ganz gut zu dieser Frau, die immer zu bodenständig war für den Glamour, den sie doch ausstrahlte, dass die Ausstellung ein Rezept zum Mitnehmen beschließt. "Luxus-Schinkenfleckerl" steht da in Tobisch-Handschrift. Und bei genauerem Hinsehen sind es einfach - ganz normale überbackene Schinkenfleckerl.