Seit Herbst hat die Volksoper nach langen Jahren wieder einen Musikdirektor - und er bringt mondänen Glanz an den Währinger Gürtel. Omer Meir Wellber, Jahrgang 1981, hat in der Vergangenheit weltweit Orchester von Rang und Namen geleitet, und er bleibt auch nach seinem Amtsantritt in Wien gemeinsam mit Direktorin Lotte de Beer international aktiv. Bis 2022 Chiefconductor des BBC Philharmonic, wird er bis Ende 2024 Musikdirektor am Teatro Massimo in Palermo sein. Bleibt da genug Zeit für die Volksoper?, wollte die "Wiener Zeitung" im Vorjahr in einem Interview wissen. Wellber verwies auf seinen Abzug aus London und fügte hinzu: "Ich habe bald gemerkt, dass ich mich stärker auf Wien konzentrieren möchte."
Wer nach diesen Worten meint, die Stadt würde künftig die ungeteilte Aufmerksamkeit des Chefdirigenten genießen, irrt jedoch. Seit der Vorwoche ist bekannt, dass der gebürtige Israeli im Sommer 2025 Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper und Chefdirigenten des philharmonischen Staatsorchesters Hamburg wird. Er werde Wien deshalb aber nicht den Rücken kehren, hieß es entwarnend aus der Volksoper, sondern seine Zeitressourcen aufteilen und seinen Vertrag uneingeschränkt bis Mitte 2027 erfüllen. Überhaupt war man in Wien um eine sonnige Sicht bemüht: Wellbers Kür in Hamburg belege, was für einen Kapazunder man für die Volksoper geangelt habe. Zudem würde Wellbers Doppeljob "die Möglichkeit einer aufregenden künstlerischen Zusammenarbeit" mit Hamburg eröffnen, so de Beer.
Gegen diese Sicht regte sich jedoch Widerstand. Am Mittwoch trudelte bei Politikern und Journalisten ein anonymer Brief ein, der angeblich dem Protest "diverser künstlerischer Mitarbeiter der Wiener Volksoper" Ausdruck verleiht. Es sei eine "unfassbare Respektlosigkeit", heißt es darin, dass Wellber nach nicht einmal einer Saison seinen nächsten Vertrag unterfertige. Hauptkritikpunkt: Wellbers Postenfülle würde es ihm weder jetzt noch künftig erlauben, die Aufgaben eines Musikdirektors (nicht nur das Dirigieren, sondern auch die Pflege der Klangkultur eines Hauses) zu erfüllen. Die Behauptung, der Zusatzposten in Hamburg würden der Volksoper zum Vorteil gereichen, sei intelligenzbeleidigend. Am Haus würden Resignation und Wut herrschen.
Das wiederum stellt Direktorin Lotte de Beer in Abrede. Es stimme nicht, dass sich vor ihrer Tür eine Art Meuterei auf der Bounty zusammenbraue. Mit einem offiziellen Statement will sie das Gegenteil belegen. In dem Papier stellt sich das künstlerische Gremium des Orchesters (24 Personen) hinter Wellber: Das Orchester, so heißt es, "schätzt sich glücklich, einen Musikdirektor von internationalem Renommee für die Volksoper gewonnen zu haben". Dieser habe versichert, dass er seinen Vertrag "in vollem Umfang erfüllen wird und sein Engagement in Hamburg auch für künstlerische Synergien nutzen wird". Dass Wellber keinen Beitrag zur Klangkultur des Hauses leiste, stimme nicht: Der 41-Jährige habe bereits die Stelle des Chordirektors und die vakant gewordene Position des Studienleiters neu besetzt, heißt es aus der Direktionsetage. Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass ein beliebter Dirigent mehrere Institutionen leite. Ob diese Argumente reichen, um die Missklänge zu verscheuchen? Man wird sehen. Das Haus würde jedenfalls lieber Schlagzeilen mit seiner kommenden Operettenuraufführung machen; die findet am 25. März statt und heißt "Die letzte Verschwörung".