Kaum jemand kennt Mmadi Make. Ein paar mehr kennen vielleicht Angelo Soliman. Nicht zuletzt auch, weil Felix Mitterer vor wenigen Jahren einen Roman über den Afroösterreicher geschrieben hat. Mmadi Make und Angelo Soliman sind ein und dieselbe Person: 1730 wurde er mit zehn Jahren - nachdem er aus seiner afrikanischen Heimat verschleppt worden war - als Geschenk für eine Marquise nach Messina in Sizilien gebracht. Von dort kam er nach Wien, wo er schließlich beim Fürsten von Liechtenstein eine beachtliche (Diener-)Karriere hingelegt hat. Er soll auch in der prominenten Freimaurerloge "Zur wahren Eintracht" aufgenommen worden sein - dort war zum Beispiel auch Wolfgang Amadeus Mozart.
Aber Angelo Soliman ist den meisten nicht wegen seiner Lebensgeschichte bekannt, sondern wegen seines beklemmenden, heute unvorstellbaren Ende: Kaiser Franz II. ließ seinen Leichnam ausstopfen und stellte ihn in seiner "Wunderkammer" aus.
Briefe einer Tochter

Felix Mitterer war nicht der erste Schriftsteller, der sich mit dieser herausragenden historischen Persönlichkeit beschäftigt hat, die polnische Literatur-Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk tat es schon davor. In ihrer Erzählungssammlung "Unrast" reimaginiert sie drei Briefe, die Solimans Tochter Josephine an den Kaiser schreibt und in denen sie - jeweils mit forscherer Eindringlichkeit - den Leichnam ihres Vaters zurückfordert. Diese waren nun Inspirationsmaterial für das Stück "Katharsis" der Theatergruppe Dead Centre, das am Wochenende im Akademietheater zur Uraufführung kam.
Es beginnt wie eine wenig innovative "Antigone"-Aufführung: Antigone (Safira Robens, sie wird später Josephine spielen) versucht ihre Schwester Ismene (Katrin Grumeth, später wird sie Josephines Mutter darstellen) zu überzeugen, trotz Verbots ihren Bruder zu bestatten. Die Parallele zu Josephine Solimans Anliegen ist unübersehbar. Plötzlich tritt ein Mann aus dem Chor heraus und erklärt, warum ihm eine solche "unsichtbare" Rolle die liebste ist. Dabei sein, ohne mitzuspielen, das Publikum anzustarren, statt angestarrt zu werden - das findet er gut. Eine erste kleine Spitze gegen ein Schicksal des Ausgestelltwerdens in einem Monolog, den Ernest Allan Hausmann pointiert vorbringt.
Dann folgt ein etwas gezwungener Übergang, der (auch dies inspiriert von zwei Geschichten über Leichenkonservierung und -sektion in "Unrast") in den Obduktionssaal führt. Hier wird nun der Anatom, der Hausmann jetzt geworden ist, die Organe aus einem Körper entnehmen und wie bei einem Lehrvortrag im "Anatomietheater" vorstellen.
Nur Organe
Abwechselnd dazu läuft eine Parallelhandlung, in der Josephine Soliman erst von ihrer Mutter über das Kennenlernen ihres Mannes und die "Sensation" ihrer Verbindung erzählt bekommt, dann von einem Freund ihres Vaters, der zufällig Mozart (Philipp Hauß) ist, darüber informiert wird, was der schauderhafte Grund dafür ist, dass der Leichnam ihres Vaters vom Kaiser einbehalten wird, worauf sie bei Abbé Simon Eberle (Johannes Zirner) - der Naturwissenschaftler hatte schon eine Woche vor dem Tod Solimans die "Überlassung der Leiche" beantragt, sein Bruder zog Soliman die Haut ab - die Rückgabe des Körpers fordert. Kein Problem sagt dieser, und gibt ihr einen Haufen Organe - die, die der Anatom schon die ganze Zeit präsentiert.
Ausgerechnet diese Organe, die hier als Symbol für die Gleichheit aller Menschen stehen: Herz, Lunge, Gedärme haben keine unterschiedlichen Farben. Das ist wohl eine treffende, wenn auch etwas platte Aussage dieses Stücks. Von Dead Centre (Regie: Ben Kidd, Bush Moukarzel) ist man eigentlich originellere, die Möglichkeiten des Theaters überspannende Zugänge gewöhnt. Die Annäherung an die Selbstverständlichkeit von Rassismus ist so klinisch geraten, wie es eine Obduktion befürchten lässt. Es fehlen Kanten und Emotionen, die einen den Theaterabend in Erinnerung behalten lassen. Was sich Mmadi Make freilich verdient hätte.