Es ist alles wieder da: nackte diverse Frauen, wummernde Beats und Live-Musikerinnen sowie klassische Einspielungen, ein paar mittelklassige Tanzszenen, fliegende Fortbewegungsmittel gepaart mit extrem einprägsamen Bildern und aufwendiger Bühnentechnik. In "Ophelia’s Got Talent", das im Volkstheater am Montag Premiere hatte, spannt die Wiener Choreografin Florentina Holzinger einen breiten thematischen Bogen von den Geschichten der Vorfahrinnen Ophelias: von Undine bis zu den Sirenen und deren Erbinnen. Verpackt wird der Plot in ein Kuriositätenkabinett, das schon im Vorfeld eine Triggerwarnung mit "selbstverletzende Handlungen, Blut, Nadeln, Stroboskop-Licht, explizite Darstellung oder Beschreibung körperlicher oder sexualisierter Gewalt" und einer 18-Jahr-Altersbeschränkung vorgibt. Doch so schlimm wird es letztlich gar nicht. Oder erwartet man sich von Holzingers Produktionen genau das und noch mehr?

Fakt ist, dass die 37-Jährige eine Genre-Nische gefunden hat, die ihr bis in die renommierte Berliner Volksbühne Erfolge beschert. Fakt ist auch, dass der genaue Blick auf die Details - wie etwa auf die ausbaufähigen Tanzszenen - in diesem Gesamtwerk nicht von Bedeutung ist.

Revue mit Captain Hook

"Food for thoughts", also Nahrung für die Gedanken, sagt Holzinger augenzwinkernd gegen Ende der fast dreistündigen Performance. Und das gelingt ihr im Lauf des Abends, denn einige Bilder vergisst man nicht so schnell. Auch dieses Mal werden Szenen revueartig abgespielt, am Hintergrundprospekt kann man den Titel der Szene lesen: Etwa "Sailor Dance" und "Sailor Dance II" steht da, in denen unten ohne nackt mit Matrosenkappe oder sogar mit Hemd gesteppt wird. Das erinnert an die Gene-Kelly-Tanzfilme. Oder man liest auch "Tales of the sea", "The storm" und einiges mehr.

Zitate-Regen

Thematisch verbunden hat Holzinger "Ophelia’s Got Talent" - ausgehend von einer Castingshow - mit dem kulturhistorischen Phänomen von Frauen unter oder in Verbindung mit Wasser - Shakespeare, Schiller, Goethe oder Heraklit sind nur einige, deren Zitate sie hier verpackt. Über Hoch- als auch Popkultur-Chiffren macht sie sich lustig: Da hebt eine Performerin mithilfe ihrer Intimpiercings eine schwere Wasserflasche hoch und lässt sie schaukeln, oder ein weiblicher Houdini befreit sich aus seinen Ketten. Captain Hook, dargestellt von Sophie Duncan, ebenfalls unten ohne, führt à la Jack Sparrow durch die Show als verbindendes Element zwischen Nixen, Undinen sowie Sirenen und deren männlichen Widersachern, Anglern, Piraten und Seefahrern, allesamt dargestellt von Frauen und Mädchen, die in zwei enormen Wasserbecken agieren. Man hört von Essstörungen und Vergewaltigung, ein Hubschrauber ejakuliert nach einer Gruppenkopulation.

Doch trotz des infernalen Endes gibt Holzinger erstmalig auch Hoffnung: Der Gesang eines kleinen Mädchens der "Lost Generation".