Ohne die Liebe geht gar nichts. Meistens, zumindest. A liebt B, C hat etwas dagegen - fertig ist, je nach Intention des Autors, die Tragödie, die Komödie, die Farce.
Nur, dass die Liebe nicht reicht zur Komödie. Da bedarf es noch einer ganz anderen Ingredienz, über die noch zu reden sein wird.
Wenn das Theater zum Lachen einlädt, ist es aber immer auch eine Gratwanderung. Und doch scheint Komödie das Gebot der Stunde: "Wie es Euch gefällt" und "Der Raub der Sabinnerinnen", diese neben der "Pension Schöller" köstlichste aller Klamotten auf den Bühnen des Burgtheater-Bereichs, "Die Kleinbürgerhochzeit", "Was Ihr wollt" im Josefstadt-Universum, "Apokalypse Miau" im Volkstheater, nicht zu reden von den Kleinbühnen. Die Komödie am Kai spielt, nomen est omen, sowieso nur Komödien, das Theater Scala bereitet einen Goldoni vor, das TAG spielt Nestroys "Höllenangst" und demnächst eine Bearbeitung von Molières "Menschenfeind". Und da sind längst nicht alle Spielorte genannt. Wer will, kann sich in Wien jeden Tag bei einer Komödie unterhalten.
Jeder lacht anders
Wenn er es kann. Denn nichts ist schwieriger als Komödie.
Tragödien? - Nichts leichter als das. Von Antigonaes Felsengrab führt ein gerader Weg über König Lears gebrochenes Herz und Jeanne dArcs Tod in der Schlacht (so steht es nun einmal bei Friedrich Schiller) bis hin zu Felix Mitterers "Kinder des Teufels" und Franz Xaver Kroetz "Du hast gewackelt".
Aber Komödien?
Gewiss: Die Griechen Aristophanes und Menander sowie die Römer Plautus und Terenz stehen für die Antike. Und danach? Bis Shakespeare und ein paar Spaniern wie Miguel de Cervantes mit seinem "Wundertheater" und Tirso de Molina mit seinem "Don Gil von den grünen Hosen"?
Natürlich gibt es sie, wird der Theatergeschichtler einwenden und das Lübecker Fastnachtsspiel "Henselynboek" des Hans van Ghetelen hervorziehen. Könnte man darüber heute lachen? Das ist die Frage.
Es ist so eine Sache mit dem Lachen (und wie mit der Liebe): Jeder nach seinem eigenen Gusto. Das Ende des "Lear" geht jedem an die Nieren. Aber nicht jeder kann über die "Lysistrata" lachen. Humor und Witz könnten eine Frage der Zeit sein.
Shakespeares "Sommernachtstraum" ist frisch geblieben. Wie viele Komödien von den Spaniern aus etwa der gleichen Zeit stehen auf den Spielplänen? Wo wird der "Horribilicribrifax" des rund ein Jahrhundert jüngeren Andreas Gryphius gespielt?
Der "Sommernachtstraum" also: Im Prinzip ist sogar dieses doch recht anarchische Stück nach der alten Theatertheorie gebaut, derzufolge sich das Personal der tragischen Handlung aus höheren Ständen und das der Komödie aus Handwerkern, Bauern und fallweise Bürgern rekrutiert. Die Adeligen haben ihre standesgemäßen Liebesprobleme, während die Handwerker eine Tragödie aufführen, die natürlich, da vom niederen Stand gespielt, zur Komödie ausartet. Ersetzt man den Löwen des Spiels von Pyramus und Thisbe durch einen Becher Gift, kommt "Romeo und Julia" heraus. Am Ende ist das in Wirklichkeit kein süßes Liebesdrama, sondern eine pechschwarze Satire auf die Liebe. Denn dieses Stück, "Romeo und Julia" nämlich, enthielte, abgesehen von der Liebe, die andere Ingredienz, die zur Komödie gehört.
Der Segen der Bananenschale
Sicher, es gehört sich nicht, wenn man solche Gefühle hegt. Aber welch eine Zwiderwurzn wäre man ohne sie. Im Theater, bitteschön, nur im Theater! Denn diese andere Ingredienz, ohne die keine Komödie funktioniert, ist die Schadenfreude. Oder in der Sprache der Theaterleute: Die Bananenschale funktioniert immer.
Alle Komödien lassen sich auf dieses zutiefst abzulehnende Gefühl zurückführen. Soldaten, deren Frauen ihnen den Sex verweigern: Lysistrata. Eine Hochzeit, die spektakulär danebengeht: Die "Kleinbürgerhochzeit".
Aber natürlich macht es mittlerweile, man ist ja dem Standesdünkel (hoffentlich) entwachsen, umso mehr Spaß, wenn sich auf der Bühne nicht Handwerker und Bauern zu Trotteln machen, sondern wohlsituierte Herrschaften sich so turmhoch überlegen dünken, dass sie umso tiefer fallen. Ein Pilot, dem die Abfolge seiner Dates entgleitet: "Boeing Boeing". Ein Student aus reicher Familie, der sich als Frau verkleidet und von einer irren Situation in die nächste stolpert: "Charleys Tante".
Apropos Travestie: "Was ihr wollt" in den Kammerspielen und "Effi Briest" im Bronski & Grünberg in rein männlicher Besetzung, "Der Raub der Sabinerinnen" im Akademietheater mit umgekehrten Geschlechtern: Dergleichen funktioniert immer - auch das kommt der Schadenfreude des Zuschauers zugute, wenn auf der Bühne die Frau den Mann und der Mann die Frau geben muss. Selbst die ambitionierte Laientruppe "Bunte Bühne" weiß, dass es mit der Schadenfreude immer funktioniert und schickt in "Gnozzmozzl" einen Außerirdischen in ein österreichisches Kaff, wo er sich naturgemäß nicht zurechtfindet. Albern? Ja. Lustig? Und wie!
Die Zimmerschlacht
Und dann ist da noch Yasmina Rezas Feuerwerk "Der Gott des Gemetzels": Die Autorin dreht virtuos alle graue Komödien-Theorie um: Diese grandiose Zimmerschlacht tragen zwei hochgebildete, wohlsituierte Paare aus. Eine Lappalie, die man ganz gepflegt beilegen will, löst den Wahnsinn aus. Das ist zwar beeinflusst von Edward Albees gar nicht witziger "Angst vor Virginia Woolf", hat aber Komödien-Schule gemacht, und so streitet man über Vornamen (darf ein Bub Adolf heißen?) oder trifft sich beim Eheberater zur "Wunderübung".
Selbst verstaubt geglaubte Komödien-Klassiker wie Gerhart Hauptmanns "Biberpelz" und Hermann Bahrs "Konzert" funktionieren immer noch, und die Tür-auf-Tür-zu-Liebhaber-im-Schrank-Komödien von Georges Feydeau und Eugène Labiche tun zwar die gepfefferten Übersetzungen von Elfriede Jelinek gut, aber selbst eine Literaturnobelpreisträgerin könnte keine szenische Totgeburt lebendig machen.
Und all der Spaß ist doch nur ein Spiegel: Kann man auch zu sich selbst die humorvolle Distanz herstellen? Was, wenn man selbst auf die Bananenschale namens Leben tritt? Vorhang auf zum großen Lachen!