"Wir alle starten unseren Tag mit den Nachrichten, um zu sehen, was in der Nacht passiert ist": Oleksandra Matwijtschuk eröffnete ihr Statement bei der Pressekonferenz mit einem Einblick in das Leben in der Ukraine. Wenn Kiew bombardiert wird, ist ihr erster Gedanke stets: "Geht es meiner Familie gut? Kann ich noch in meine Wohnung zurück?", so die 39-Jährige, die sich als "Menschenrechtskämpferin" bezeichnet und Kiew zu Beginn der Kriegshandlungen bewusst nicht verließ.
Sie habe mit zahlreichen Menschen gearbeitet, die von den Gräueltaten während ihrer russischen Gefangenschaft berichtet hätten. "Diese Leute, die die Hölle überlebt haben, müssen ihr gebrochenes Leben wieder aufbauen, aber auch ihren Glauben an Recht und Gerechtigkeit." Das Problem im aktuellen Krieg sei, dass sie gesehen habe, "wie schnell der Krieg die Menschen in Nummern verwandelt haben. Es ist unmöglich, alle Geschichten zu erzählen."

Von Einzelschicksalen würde die Welt nur im Falle von Gerichtsverfahren erfahren. "Wir können die Leben dieser Menschen damit zwar nicht zurückholen, aber ihre Würde und ihre Namen. Die Russen glauben, dass sie tun können, was sie wollen. Wir müssen diesen Kreislauf der Gewalt unterbrechen. Nicht nur für die Ukraine, sondern auch für alle Menschen, die potenziell von Russland angegriffen werden können."
Und so plädiert Matwijtschuk für einen globalen Ansatz, den Umgang mit Kriegsverbrechen zu ändern. "Wir brauchen ein eigenes Tribunal mit historischer Verantwortung und politischer Courage", das von mehreren internationalen Organisationen getragen werde. Es sei nicht damit getan, wie bei den Nürnberger Prozessen erst nach Ende des Krieges damit zu beginnen. "Die Gerechtigkeit kann nicht mehr warten", so Matwijtschuk.
Oleksandra Matwijtschus Rede "Ohne Freiheit kein Frieden" markiert den Auftakt der Wiener Festwochen und ist in Kooperation mit dem Institut für die Wissenschaft vom Menschen, der Erste Stiftung und dem Jüdischen Museum umgesetzt worden.