Wenn Sigi Zimmerschied Kritik übt, dann nimmt sich der niederbayrische Kabarettist kein Blatt vor den Mund. In seinen gut 20 Soloprogrammen scheut der 69-Jährige, der aktuell auch Stadtschreiber von Weißenburg in Franken ist, keine Konfrontation, egal ob mit der katholischen Kirche oder mit konservativen Politikern. Neuerdings hat sich der mehrfach preisgekrönte Satiriker aus Passau, der am 13. Mai im Wiener Stadtsaal sein "Dopplerleben" zeigt, aber auf eine neue Gruppe eingeschossen: Klimakleber und andere Aktivisten, die ihm, der selbst oft genug bei der Obrigkeit angeeckt hat, mittlerweile einen zu totalitären Touch haben, wie er im Interview wettert.

"Wiener Zeitung": Herr Zimmerschied, Sie spielen in Ihrem aktuellen Programm einen Fälscher, es kommen ein Gasnotstand und eine Klimaaktivistin vor. Haben Sie einfach alle aktuellen Themen am Straßenrand aufgeklaubt?

Sigi Zimmerschied: In erster Linie geht es um die immer größer werdende Unmöglichkeit, zwischen wahren Nachrichten und Fake-News zu unterscheiden. Um das zu illustrieren, gibt es eigentlich keine bessere Figur als einen Fälscher, der sein Leben lang und mittlerweile in der zwölften Generation diesem Job nachgeht. Und dann kommt er in die für ihn unerwartete und höllisch herausfordernde Situation, dass er sich in eine Klimaaktivistin verliebt, deren Kern die Wahrheitsliebe ist. Er kriegt dann auch so Wahrheitssehnsuchtsschübe - der Worst Case für einen Fälscher. In diesem Konflikt arbeite ich die gesellschaftliche Situation auf. Das ist das Zentrum. Dass man da nicht darum herumkommt, sich in der Aktualität zu bewegen, ist klar, es ist aber nicht das Wesentliche.

Lügen kennt ja jeder aus dem eigenen Alltag.

Es ist eine Urbeschaffenheit des Menschen, ich glaube, anders wäre das Leben ja gar nicht erträglich. Insofern ist es auch ein Plädoyer für die Lüge. Nur dann bitte kunstvoll.

Lügen für den guten Zweck ist also in Ordnung?

Auch für den schlechten Zweck. Es muss nur artifiziell sein, es muss etwas haben, im besten Sinne etwas Großartiges. Wenn die Lüge ein Kunstwerk ist, schaue ich es mir gerne an.

Wie halten Sie es persönlich mit Klimaaktivisten?

Da muss man differenzieren zwischen dem Kern, dem Anliegen und den Ausuferungen. Natürlich ist der Kern ehrenwert, befürwortbar, unterstützbar, und das macht man ja auch in jeder möglichen Version. Nur, wie es jeder guten Idee offensichtlich in die Wiege gelegt ist, beginnt sie halt dann zu pervertieren und diesen typisch deutschen Weg zu gehen, dass ein Vereinswesen, hierarchische Strukturen, Unfreiheiten und asoziale Wertesysteme entstehen. Das hat man im Großen am Kommunismus beobachten können, am Sozialismus, an der Sozialen Marktwirtschaft, und das ist jetzt bei den Klimaaktivisten nicht anders - ein hehrer, großartiger, unterstützenswerter Ansatz, der sehr oft an der Mickrigkeit der Agierenden scheitert. Davor die Augen zu verschließen, halte ich für gefährlich.

Ihnen sind die Klimaaktivisten also zu wenig anarchisch?

Naja, ich bemerke da drin schon den Keim zum Rigorismus, zum Katechismus, das kann man auch auf den Gender-Wahnsinn im Sprachbereich ausdehnen. Da beginnt etwas zu entstehen, das in Richtung Sprachpolizei geht, in Richtung Klimapolizei. Und so etwas verabscheue ich zutiefst, da kriege ich allergische Schübe. Das ist genau das, was ich in meinen früheren Programmen, dort halt in Form von Katholizismus und Konservativismus, immer bekämpft habe. Die Trennlinie zwischen Populismus und Klimaaktivismus ist in einem gewissen Sektor sehr schmal. Vor allem, wenn man das Mitläufertum betrachtet. So wie aus der großen linken Tradition der 68er mehr Generaldirektoren, Manager und McKinsey-Mitarbeiter erwachsen sind als Revolutionäre, so werden mit Sicherheit aus dieser Klimaaktivistenphase mehr angepasste Existenzen entstehen, als Aktivisten übrig bleiben werden. Der Charme des Neuen, des Aufbruchs, des Revolutionären, dem man gerne verfällt - ich ja auch -, dieser Charme darf nicht die Strukturen dahinter verdecken, die schon wieder durchschimmern und sehr unangenehm in unser Leben eingreifen. Und das mag ich nicht.

Momentan werden eher härtere Strafen für Klimaaktivisten oder gar Ausweisungen gefordert. Dabei ist sich die Wissenschaft einig, dass wir mehr Klimaschutz brauchen. Muss man da nicht die Menschen auch ein bisschen zu ihrem Glück zwingen, um unser aller Überleben zu sichern?

Als Anregung, als durchaus kämpferisches Angebot gerne - aber nicht als hierarchische Struktur. Wenn man die Strukturen innerhalb dieser Aktivistenszene betrachtet, da könnten durchaus gruppenintern Urteile über Personen gefällt werden, die einer Ausweisung oder Kasernierung ähneln. Der Kasteiungsgeist, den man sonst von bestrafenden Behörden kennt, wohnt auch diesen Gruppierungen bereits inne, der Keim dafür ist da, dieser Rigorismus, dieser Katechismus, diese Bestrafungskataloge, diese absolute Überzeugung, im hundertprozentigen Recht zu sein. Schon wenn ich Greta Thunberg länger als zehn Minuten zugehört habe, habe ich gewusst: Da stimmt was nicht. Es wird in denselben Strukturen enden wie alle hierarchischen Situationen. Und das ist schade, weil es wirklich ein existenzielles Thema ist.

Sie haben also kein Verständnis für Klimakleber?

Dieses Festkleben, da kann auch nur ein Deutscher draufkommen. Man kann nur hoffen, dass sie fantasievollere Formen entwickeln, die die Menschen dann auch wirklich erreichen und nicht verschrecken. Aber den verbohrten Idealisten interessiert das ja eh nicht, der will doch nur provozieren, der hat gar keinen konstruktiven Ansatz. Das ist alles nur eine Staffage für die eigentliche motorische Energie des Destruktiven.

Sie meinen also, der Klimaschutz würde nur als Vorwand dienen?

Wir sind ja auch damals einem Ho Chi Minh nachgelaufen, haben geschrien, dass der Shah weg muss - und eine Woche später ist das nächste Arschloch aus dem Flugzeug gestiegen, und die Situation hat sich wiederholt. Auf diese mit hohem Moralgehalt abgefederten Reize sind wir ja alle hereingefallen, und da fällt jetzt wieder ein Haufen darauf herein. Man kann nur hoffen, dass sich diese Szene entkatechetisiert, eine Portion Ironie mittankt - weil momentan hat man das Gefühl, das sind alles Heilige, und die verstehen keine Ironie - und ein Stück menschlicher wird. Das ist alles so apostolisch, so biblisch, hat was von Ornat: Alle sind sie gleich angezogen, haben alle diese Zopferln und Bärte und Dreadlocks - das ist fast schon wie ein Laufsteg, eine Riesen-Modeschau. Dahinter steht ein ehrenwertes Anliegen, keine Frage, das streite ich gar nicht ab, aber mich stören die Auswüchse.

Welche Form des Klimaaktivismus würden Sie sich denn wünschen?

Das weiß ich nicht, da müssen die draufkommen, das kann ich ihnen nicht auch noch abnehmen. Aber ich würde mir einfach eine fantasievollere Auseinandersetzung wünschen. Vor allem ist es von einer entsetzlichen Humorlosigkeit geprägt, und das ist immer verdächtig. Die Ironiefeindlichkeit dieser Generation ist gewaltig.

Apropos Ironie: Im August kommt mit "Rehragout Rendezvous" der bereits neunte Franz-Eberhofer-Krimi ins Kino, wo Sie auch wieder mitspielen. Andere Buchreihen sind nicht so lange verfilmt worden.

Constantin Film hat sich sehr früh darauf festgelegt, eine Reihe zu installieren. Wir brauchen jetzt glaube ich noch einen Film, dann sind wir die erfolgreichste deutsche Reihe, noch vor "Winnetou" und Edgar Wallace. Ich bin da sozusagen der Sam Hawkins oder der Sir John ins Bayrische übertragen. Ich denke, für den Erfolg ist auch die Drehbuchbearbeitung verantwortlich, da wurden die Bücher schon auf ein anderes Niveau gehoben.

Lesen sie Rita Falks Bücher vorher?

Nein, ich halte mich ans Drehbuch. Die Bücher haben einen Duktus, der mir nicht so entspricht.

Oft enttäuscht ja der Film gegenüber dem Buch.

Es gibt natürlich Puristen, die nur das Buch gelten lassen und jedes Detail verteidigen. Wenn sich jemand eine ganz buchstabengetreue Umsetzung wünscht, dann ist der von jedem Film enttäuscht. Aber ich glaube, dass mittlerweile die Qualität der Filme höher ist als die der Bücher.

Stehen Sie lieber vor der Kamera oder auf der Bühne?

Das hat sich jetzt angeglichen. Ich stehe gern vor der Kamera, wenn es essenzielle Geschichten sind. Dann ist mir die Dreharbeit zu einem Film mittlerweile genauso viel wert wie das Erarbeiten eines Kabarettprogramms oder das Schreiben eines Theaterstücks, weil es einfach wach hält. Bühne und Film haben ganz verschiedene Spieltemperaturen. Das merke ich, wenn ich am Abend in einem Saal mit 300 Leuten spiele, wo der Hinterste 15 Meter weit weg sitzt, wo du ganz anders spielen musst, viel expressiver, und wenn du dann nur eine Nacht Zeit hast, dich auf eine Nahaufnahme vorzubereiten, wo du gar nichts mehr machen darfst, weil das Auge auf der Leinwand zwei Meter groß ist, dann ist das ganz schön fordernd. Man profitiert davon. Man traut sich, auf der Bühne ein bisschen minimalistischer zu sein, wenn es im Film funktioniert hat, und umgekehrt vor der Kamera fast theatral aufzutreten. Da gibt es in der Spielhaltung dann Mischformen, die sehr interessant sind und einen nicht eingleisig werden lassen.

Man könnte ja meinen, dass rein arbeitstechnisch der Film angenehmer ist, weil man immer nur ein bisschen Text lernen muss.

Beides ist gleich schwierig. Dieser ständige Interruptus beim Drehen, dieses ständige Rausgeschmissen werden aus einer Chronologie, einer Entwicklung, das muss genauso bewältigt werden, wie auf der Bühne über zwei Stunden hinweg einen Spannungsbogen aufzubauen. Es ist beides gleich herausfordernd und gleich spannend. Genauso wie das Theaterstück, das ich gerade schreibe, wo ich es als bereichernd empfinde, mich vom Sessel daheim aus in Welten hineinzudenke, die gar nicht existieren, für die es noch kein einziges Kostüm gibt, keine einzige Besetzung. Es macht mir alles gleich viel Spaß, wenn es authentisch ist, wenn es aus mir selber kommt.