Astrologisch Halbgebildete wissen: Wenn irgendwas im Saturn ist, ist das meistens nicht so gut. Wenn nicht sogar sehr übel. Und wenn in der Nachbarschaft gleich mehrere Männer auf seltsame bis grausame Weise ums Leben kommen, dann hat wahrscheinlich der Saturn die Finger im Spiel. Janina würde das natürlich detaillierter formulieren. Janina ist die Hauptfigur und Erzählerin in Olga Tokarczuks literarischem Kriminalroman "Gesang der Fledermäuse". Sie ist keine einfache Frau, es fängt schon damit an, dass man sie besser nicht mit ihrem Namen Janina anspricht, den hasst sie nämlich. Sie lebt in einer kleinen polnischen Gemeinde im tiefsten Wald an der tschechischen Grenze. Nur sie und noch zwei Nachbarn leben auch im Winter dort, der Rest sind Zweitwohnsitzler. Die 65-Jährige ist mit ihrer ausgeprägten Tierliebe, ihrem Faible für Horoskope und einer unerklärlichen Krankheit das, was man gemeinhin eine sonderbare Alte nennen würde, aber gerade das und ihr beiläufig-intelligenter Humor machen sie zu einer der schillerndsten Frauenfiguren der jüngeren Literatur. Bei den Wiener Festwochen ist nun im Theater Akzent eine Dramatisierung des spannenden Romans von Simon McBurney und der Gruppe Complicité zu sehen. Es liegt vor allem an Kathryn Hunter in der Rolle der vom Schutz und Erhalt der Natur nachgerade besessenen Hauptfigur, diese surreale Grenzwelt in die Köpfe der Zuseher zu zaubern. Und es gelingt ihr schon in den ersten Minuten ganz ausgezeichnet. Nur an einem Mikrofon stehend, verbringt sie den Großteil dieser rund drei Stunden und erzählt. Manchmal hat das, wegen ihres trockenen Witzes, auch etwas von einer Stand-up-Comedy. Der Rest des Ensembles hält sich im Hintergrund, Figuren steigen heraus, um sie bei Szenen ihrer Geschichte zu unterstützen, etwa ihr Nachbar, der Pilzsammler, oder ihre Freunde, der William-Blake-Übersetzer und der Käferspezialist.

Tiere mit toten Augen

Immer öfter verbildlichen im Lauf des Abends großformatige makabre Videosequenzen, die zum Beispiel Rehköpfe mit toten Augen zeigen, Janinas unglaubliche Theorie: Dass sich die Tiere an ihren Jägern, an ihren Peinigern, an denen, die sie achtlos töten - seien es Rehe, Polarfüchse (für Pelze gezüchtet) oder Käfer (deren Larven im Brennholz zugrunde gehen) -, rächen.

Eine kleine Aktualisierung gibt es, eins der Mordopfer wettert gegen den immerzu thematisierten nervigen Klimawandel. Ansonsten bleibt das Stück ganz nahe an Tokarczuks Text, auch mit den immer wieder aufblitzenden Zitaten Blakes. Verse wie "Die Tiger des Zorns sind weiser als die Pferde der Belehrung" verraten schon einiges über die Auflösung des Kriminalfalls (übrigens nicht das erste Mal, dass der Dichter im Thriller-Kontext auftaucht, Freunde der Serie "The Mentalist" erinnern sich vielleicht).

Simon McBurney und Complicité gelingt eine poetische, stellenweise fast meditative Umsetzung des heute fast noch aktuelleren Stoffs als zu dessen Erscheinen 2009. Und lässt einen mit einem pulsierenden Schlussbild zurück, wenn Janina im Urwald Białowieca verschwindet.