Tomas Schweigen, geboren 1977 in Wien, war von 2015 bis 2023 Intendant des Schauspielhauses. Mit der "Wiener Zeitung" zieht der Regisseur Bilanz über acht bewegte Jahre.

"Wiener Zeitung": Ihr Vorgänger Andreas Beck führte das Schauspielhaus wie ein Mini-Stadttheater mit einem Repertoire-Spielplan. Sie haben sich von Beginn an für ensuite entschieden und somit die Möglichkeit für weitaus aufwendigere Bühnenbilder und Raumlösungen eröffnet. Wie glückte die Umstellung?

Tomas Schweigen: Am Anfang haben mir Leute prophezeit: "Das wird nie etwas." Es war auch eine Umstellung. Da wir nur Ur- und Erstaufführungen gezeigt haben, konnten wir keine bekannten Namen bieten und waren auf Mundpropaganda angewiesen. Der Anfang war manchmal hart, aber das Publikum hat sich bald daran gewöhnt. Bei Andreas Beck habe ich hier als Regisseur gearbeitet, daher wusste ich, wie sehr man sich beim Bühnenbild einschränken muss, um Repertoire spielen zu können. Aber ich kannte das Schauspielhaus noch zu Zeiten von Hans Gratzer. Mich faszinierte damals, dass die Bühne immer wieder für Überraschungen sorgte. Von Andreas Beck haben wir die Struktur des festen Ensembles übernommen, von Hans Gratzer die Risikobereitschaft, mit ungewohnten Raumlösungen Neues auszuprobieren. Das gehört für mich genauso zur DNA des Schauspielhauses wie das zeitgenössische Drama. Daran wollte ich wieder anknüpfen - und der Raum bietet tatsächlich viele Möglichkeiten zur alternativen Nutzung.

Bei Hans Gratzer gab es immer wieder Projekte, die in ihrer Dimension die Größe des Schauspielhauses bei Weitem sprengten, auch in Ihrer Intendanz gab es Theater im XXL-Format. Was wollten Sie mit diesen Projekten bezwecken?

Solche Projekte sind die logische Konsequenz, wenn man neue ästhetische Herangehensweisen sucht. Die Triebfeder war stets, etwas Neues auszuprobieren.

Besonders aus der Reihe fiel das "Hotel"-Projekt (2020/21), bei dem Sie das Haus in eine Art Hotel umbauten, das Produktions- wie Beherbergungsstätte war. Konnten Sie Hotelgäste begrüßen?

Die Übernachtungsmöglichkeiten waren innerhalb kürzester Zeit ausgebucht. Bedauerlicherweise wurde das Projekt durch Lockdown und Sperrstunde ausgebremst. Die Idee zur Öffnung des Theaters gab es schon länger und Corona war wie ein Katalysator. Die Frage, was Theater überhaupt ist, hat sich während der Pandemie noch einmal mit ganz anderer Dringlichkeit gestellt. Wir wollten bei "Hotel" mit Konventionen brechen: Warum soll Theater immer um 20 Uhr stattfinden? Bei uns konnte man schon um 16 Uhr einchecken. Warum arbeitet man immer nur auf die Premiere hin? Warum nicht den Produktionsprozess zeigen? Wir haben also die Proben für das Publikum geöffnet. Die Übernachtungsmöglichkeit war ein augenzwinkerndes Angebot an das Publikum. Wir haben uns gefragt, wann sich Grenzen zwischen Theater- und Privatleben auflösen, diese Vermischung hat uns interessiert. Überhaupt wollten wir, dass Grenzen zwischen Kunstschaffenden und Zuschauenden durchlässiger werden, daher haben wir das Angebot partizipativer gestaltet. Es ist uns auch gelungen, teilweises ein anderes Publikum anzusprechen, da es auch Konzerte, Lesungen und andere Veranstaltungen gab.

Welche Rolle spielt das Schauspielhaus in der Wiener Szene?

Lange hatte das Schauspielhaus als Ort des zeitgenössischen Dramas ein Alleinstellungsmerkmal, das hat sich mittlerweile verändert. Die Profile der Bühnen bewegen sich aufeinander zu. Das wird in den nächsten Jahren kulturpolitisches Thema werden.

Wären Sie gerne länger geblieben?

Nein, ich bin von Beginn an mit der Perspektive von acht Jahren angetreten. Ich gehe aus freien Stücken und mit dem guten Gefühl, etwas für dieses Haus erreicht zu haben. Es fühlt sich, bei aller Wehmut, total richtig an. Im Übrigen ist es auch für die Bühne wichtig, dass sich mit einem neuen Team wieder etwas grundlegend verändert.