Das Theater in der Josefstadt zeigt seit Donnerstag Peter Turrinis und Silke Hasslers "Jedem das Seine". Aus der 2007 in Klagenfurt uraufgeführten Volksoperette des Autorenpaares mit Musik von Roland Neuwirth ist in der Josefstadt ein reines Theater-Volksstück geworden. Mit mehr Realismus und weniger Poesie.

Gleich geblieben ist die Geschichte: Ausgehungert und am Ende ihrer Kräfte treffen die Häftlinge auf die vorerst skeptisch ablehnende Bauersfamilie, zu deren Hof die Scheune gehört. Als Tausch für Nahrung schlägt einer der ungarischen Häftlinge vor, die Operette "Wiener Blut" einzustudieren und aufzuführen. Kunst als illusionärer Rettungsanker in Zeiten des Schreckens. Musik als ein zaghafter Brückenschlag zwischen Nationalitäten, als sich nach und nach knüpfendes Band zwischen unterschiedlichen Bildungsschichten und Mentalitäten.

Kunst als Hoffnung und die Tragödie ihres Scheiterns

Es ist eine Ode an die Kunst als Hoffnungsträger, die Hassler und Turrini mit "Jedem das Seine" geschaffen haben. Aber auch die Tragödie des Scheiterns dieser Perspektive an der grausamen Realität. Dorfbewohner und Nazi-Offiziere zünden den Stadel im Vollrausch an. Überlebende gibt es keine. Das Grauen hat kein Ende, nur weil der Krieg vorbei ist.

"Jedem das Seine" prangte makaber zynisch am Tor des Konzentrationslagers Buchenwald. "Lieber a Depp als a Jud’", kommentiert es der Bauer Fasching zu Beginn in Turrinis Stück. Das Leid und der NS-Horror haben einen fixen Platz in Turrinis Text. Doch nicht als mahnend geschwenkte Moralfahne. Lachen und Weinen, Erschütterung und Witz liegen bei Turrini auch hier nahe beisammen. Folgen mit viel Sprach ironie aufeinander.

Diese blitzartigen Wechsel zwischen Humor und Tragik sind es, die Herbert Föttinger in seiner Regie mit viel Feingefühl herausgearbeitet hat. Zwischen ausgelassenem Proben, dem Aufkeimen neuer Lebenshoffnung nach der Vermeldung von Hitlers Tod. Und dem Fliegeralarm oder dem plötzlich hereinbrechenden Todes-Schatten des NS-Regimes. Föttinger ist eine präzise Milieustudie der bäuerlichen Bevölkerung im Umgang mit den dumpfen Nazi-Dogmen gelungen. Die nuancierte Wandlung der Bauern von unhinterfragt distanzierten Aufpassern zu musizierenden Ensemblemitgliedern gelingt ihm überzeugend - differenziert und stark umgesetzt von Branko Samarovski und Elfriede Schüsseleder als Ehepaar Fasching und Daniela Golpashin als deren naive Magd Poldi.

Was in der Josefstadt auf der Strecke bleibt, ist die tief berührende Poesie in Hasslers und Turrinis Sprache. So facettenreich Föttinger Nazis und Bauern zeichnet, so eintönig bleiben die jüdischen Häftlinge. Statt auf Poesie setzt der Regisseur auf stilisierte Statik und Schablonen. Die berührend starke, zarte Traurigkeit dieser Tragödie und das märchenhaft utopische Element des Stücks können sich darin nicht entfalten.

Norman Hacker als bemühter Operetten-Tenor, der die Idee zu den Proben zu "Wiener Blut" einbringt, wächst erst mit der Zuspitzung des Dramas mit der Figur zusammen. Gideon Singer hingegen ist die Rolle des weisen und zynischen ungarischen Schneiders auf den Leib geschrieben. Maria Urban und Kurt Sobotka bleiben als vertriebenes Professoren-Ehepaar König zurückhaltend.

Auch die Musik von Christian Brandauer hält sich dezent im Hintergrund. Was dieser Fassung fehlt, ist ein wichtiger Protagonist der Urfassung: Die kongeniale Musik Roland Neuwirths, die den grausamen Todesmarsch zum abgründigen Totentanz machte.

Theater

Jedem das Seine

von Silke Hassler und Peter Turrini

Herbert Föttinger (Regie)

Theater in der Josefstadt

Termine im März: 27., 29., 31.3.