In der "Gruppe 80" hat Helga Illich mit so manchen Inszenierungen schon mehrfach das richtige Gespür für Werke von Dramatikerinnen wie Marieluise Fleißer, Marguerite Duras oder Jane Bowles bewiesen. Nun steht "Schneeziegenmanöver", eine Szenenfolge von Katharina Döbler nach Jane Bowles, als Uraufführung am Beginn der neuen Spielzeit. Mit Witz und Poesie, gestützt auf Texte und Briefe der Bowles, laufen da Momentaufnahmen aus dem Leben der amerikanischen Autorin ab, die Schreiben als lebenswichtig, trotzdem aber als die "schrecklichste aller Aktivitäten" empfand.
Wenn sich Frauen das Recht auf ein eigenbestimmtes Leben herausnehmen, werden sie von ihrer Umwelt gleich mit dem Etikett "unergründlich und mysteriös", eventuell sogar "unanständig" versehen. Diese Erfahrung ist Jane Bowles (1917 bis 1973) auch im 20. Jahrhundert weder in den USA noch an jenen Orten erspart geblieben, wo sie im Grunde nichts anderes wollte, als im Einklang mit sich selbst und einer Intensität wahrgenommenen Welt zu leben.
Katharina Döblers sensible Collage macht begreiflich, wie sehr die Schriftstellerin - trotz ästhetischer Distanz - in den von ihr geschaffenen Figuren vorhanden ist. Dass Schreiben und Leben als existentielle Einheit zu sehen sind, versinnlicht auch Helga Illichs gleichfalls mit Poesie und Witz gestaltete Inszenierung in Amina Handkes buntem, aus großdimensionierten geometrischen Baukastenelementen zusammengestellten Bühnenraum, der dank ausgefeilter Lichtregie sowohl die dicken Mauern einer marokkanischen Medina als auch US-amerikanisches Kleinbürgerambiente oder ein imaginäres Nirgendwo suggeriert. Als weitere Farbtupfer fügen sich Mimi Zuzancks Kostüme stilvoll ins Bild.
Kathrin Thurm verbindet als Erzählerin die Kurz- und Kürzestszenen, in denen drei Frauen und ein Mann - Werner Landsgesell schlägt sich angesichts der weiblichen Übermacht tapfer - mit komödiantischer Lust von einer Rolle in die andere schlüpfen. Wiltrud Schreiner ist Jane (und Harriet), die schon als Kind lieber allein im "Schneeziegenmanöver" Fantasie-Regimenter kommandierte, statt auf dem Spielplatz mit anderen Kindern herumzutoben. Inmitten der konventionellen Normalität des amerikanischen Alltags bleibt sie immer eine Fremde, doch die Distanz zwischen ihr und den anderen verschwindet auch dann nicht, als sie ihr Zuhause in exotischen Fernen aufschlägt. (Jane Bowles hat ja, teilweise zusammen mit ihrem Mann Paul, jahrelang in Marokko gelebt.)
Die kichernden Frauen nehmen sie zwar auf, empfinden sie aber trotzdem als eine zwischen den Welten oszillierende "Nazarenerin", wie andererseits Harriet sich vor dem übertrieben-hysterischen Hausfrauengetue der umtriebigen Sadie ins Reservat einer psychischen Störung zurückzieht.
Gabriela Hütter findet sowohl für die um Jane werbende und sie zugleich verschreckende Zodelia im grünen Tschador als auch für die - wie aus einem Sitcom entstiegene - Amerikanerin den richtigen Ton, während Elke Claudius in kurzen Auftritten wohlmeinend-traditionelle und darum engstirnige Mütterlichkeit scharf umreißt.