
"Wiener Zeitung": Sie verkörpern den zwielichtigen Dorfrichter Adam in Kleists "Der zerbrochene Krug", Burg-Chef Matthias Hartmann führt Regie, am kommenden Sonntag findet die Premiere im Akademietheater statt. Das Stück gilt als tiefsinnig-analytischer Komödienklassiker. Wie komisch ist es wirklich?
Website Burgtheater, Ensemblemitglied Michael Maertens
Website Burgtheater, Information "Der zerbrochene Krug" von Heinrich von Kleist
Michael Maertens: Es ist sicher kein Schwank zum Schenkelklopfen, aber eine perfekt gebaute Komödie, die in einer wunderbaren Sprache verfasst ist, die landauf landab gespielt wird und sich regelmäßig als Publikumsrenner erweist.
Das Stück umkreist das Thema Wahrheitsfindung, wobei sich pikanterweise Richter Adam als Schuldiger herausstellt, letztlich also gegen sich selbst verhandeln muss. Das führt zu einer Flut von Ausreden, Lügen und Verschleierungstaktiken. Der Jurist als armer Tropf?
Für mich ist er das keineswegs, sondern eher ein regelrechtes Schwein: Als Richter hat er im Dorf eine gewisse Machtposition inne, aber schon bei seinem ersten Auftritt wird klar, was für ein korrupter Mensch er ist, wie schludrig er mit seinem Amt umgeht. Schließlich geht es hier auch um eine Form des sexuellen Übergriffs: Er benützt seine Position, um ein junges Mädchen zu erpressen und zu nötigen. Parallelen zu den Fällen Strauss-Kahn und Kachelmann drängen sich förmlich auf.
Spielen diese aktuellen Vorkommnisse bei Ihrer Interpretation eine Rolle?
Nein, die Analogie wäre zu platt.
Inwiefern nähern Sie sich den Genres Komödie und Tragödie unterschiedlich an?
Nie gleich. Es gibt ja kein Gesetz, wie so etwas funktioniert. Ich versuche stets, der Wahrheit einer Figur auf den Grund zu gehen, einen Charakter stimmig zu gestalten. Aber ich nehme mir sicher nicht vor, besonders lustig sein zu wollen.
Ihre künstlerische Bandbreite scheint dabei weit gespannt - von den ersten Bühnen des deutschsprachigen Raums bis zur Mörbischer Seebühne, wo Sie 2009 in "My Fair Lady" in der Regie Helmuth Lohners auftraten.
Die Arbeit an der Figur des Henry Higgins nahm ich genauso ernst wie jede andere Rolle. Es wäre todlangweilig, fühlte man sich nur mit einer einzigen ästhetischen Richtung vertraut. Offenheit und Neugier, das ist für mich elementar. Ich versuche alle Farben, die mir das Theater bietet, kennenzulernen.
In Wien hatten Sie mit dem Anatol in Schnitzlers "Reigen" und der Titelrolle des Hamlet einen schwierigen Start.
Ich fürchte, ich machte mich in dieser Urwienerischen Figur des Anatol nicht sonderlich beliebt, und auch der Hamlet ging den Bach runter. Für mich waren das dennoch wichtige Erfahrungen.
Was bedeutet Scheitern für Sie?
Mit einer Inszenierung zu scheitern ist natürlich schmerzlich. Wenn man trotzig ist, redet man sich ein, die Leute würden einen nicht verstehen. Zugleich empfindet man eine Art Trauer, weil man die Figur schützen will. Dazu gesellen sich Kommentare wie diese: Die großen Klassiker, die Helden, das liegt dir doch gar nicht! Du bist doch eher der Komiker, der Salonspieler! Man fragt sich dann schon: Stimmt das vielleicht sogar? Will ich es nur nicht wahrhaben?
Sie stammen aus einer Schauspielerfamilie: Ihr Großvater, Ihr Vater und Ihre Geschwister sind Schauspieler. Gab es für Sie keinen anderen Berufswunsch?
Als Kind wollte ich Fußballer werden. Das Vorhaben gab ich mit 13 oder 14 allerdings wieder auf, da mein Talent zum Profifußballer nicht gereicht hätte. Laut meinen Eltern wollte ich schon als Vierjähriger Theaterspielen. Ich habe meinen Vater oft von der Bühne abgeholt, habe bei Proben zugesehen, war in der Maske.
Mit Ihrer Frau, der Schauspielerin Mavie Hörbiger, haben Sie eine zweijährige Tochter. Wie legen Sie Ihre Vaterrolle an?
Das ist schwierig zu erklären. Vater sein bereitet mir ungeheuere Freude. Wahrscheinlich bin ich aufgrund der späten Vaterschaft umso mehr dabei, mitunter muss ich mich richtig einbremsen. Es gibt ja auch erdrückende Formen der Liebe und Behütung. Im Grunde versuche ich, unser Kind normal aufwachsen zu lassen.