
Vetter, Fabian Krüger, Dietmar König, Dorothee Hartinger. - © Georg Soulek, Burgtheater, Fotos bei Nennung des Fotografen für die aktuelle Berichterstattung freigegeben
Der erste Satz, der an diesem Abend auf der Bühne fällt, drückt leisen Zweifel aus: "Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist", so Erek. "Ich schon", gibt sich seine Freundin Anna zuversichtlich. Die beiden (dargestellt von Joachim Meyerhoff und Regina Fritsch) gründen darauf in der von Ereks geerbten großbürgerlichen Villa eine Wohngemeinschaft. Thomas Vinterbergs Stück "Die Kommune" spielt im Kopenhagen der 1970er Jahre, und diese Art der Wohnraumnützung wäre wohl das Letzte, was Ereks Vater gewollt hätte. Gerade deshalb erweist sich das Unternehmen, mit dessen Uraufführung in der Regie des Autors selbst das Akademietheater vergangenes Wochenende seine neue Spielzeit eröffnete, anfänglich aber als großer Spaß.
Junge Hippies in Schlabberhosen und zotteligem Langhaar beziehen die Villa: das renitente Bürgersöhnchen, der Möchte-gern-Künstler, die intellektuelle Feministin und weitere verkrachte Existenzen. Es gibt keine Regeln, keinen Anführer, dafür Rockmusik, freie Liebe, die sich als Intensivstöhnen aus dem Off bemerkbar macht, Zigaretten und billigen Rotwein. Die Bühne des Akademietheaters (Stefan Mayer) erinnert dabei an Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt: ein chaotisch-gemütlicher Salon voller alter Möbel und bunter Stoffe. Hier spielt sich der Kommunenalltag ab - man kocht und trinkt, diskutiert und liest, arbeitet und faulenzt. Hier scheitert innerhalb von knapp zwei Stunden Spielzeit das Kollektiv kläglich.
Kaputte Familien, zerstörte Psychen, sexuelle Niedertracht: Vinterberg, 42, ist ein Spezialist der Seelenerkundung. Der 1997 entstandene Dogma-Inzestfilm "Das Fest" geriet als finsteres Kammerspiel auch zum Bühnenhit, das in 40 Ländern zu sehen war. Die Fortsetzung des Films wurde 2010 am Burgtheater uraufgeführt - in "Das Begräbnis" wird das Opfer zum Täter. In "Die Kommune", seinem jüngsten Stück, verarbeitet Vinterberg, der in einem Hippie-Kollektiv groß geworden ist, nun eigene Kindheitserfahrungen. Die Überraschung des Abends: Das Autorenduo Thomas Vinterberg und Mogens Rukov verfügt über Boulevardqualitäten. In ungewohnt heiterem Ton werden die Figuren porträtiert, die mitunter wie Abziehbilder aus dem bewährten Erzählkosmos der 68er-Gegenkultur wirken.
Liebesverrat
Plötzlich schleppt da Erek eine um 20 Jahre jüngere Frau (Adina Vetter) an - und setzt ihren Einzug mit einem autoritären "Das ist mein Haus" durch. Anna gerät völlig aus dem Lot, die 15-jährige Tochter (Elisa Plüss) der beiden Protagonisten befindet sich rettungslos zwischen den Fronten. Die Situation beinhaltet dramatischen Sprengstoff - der sich auf der Bühne jedoch nicht entzündet: Konflikte werden in dieser Kommune nicht ausgetragen, sondern vertagt. Diskutiert wird über Banales wie Fahrradständer und Bierkonsum, aber nicht über Grundsätzliches.
Das Kollektiv zerfleischt sich selbst, und keiner bekommt es mit. Leider bleibt die szenische Umsetzung der Destruktion gute Absicht. Die Aufführung löst ihr Versprechen nur zur Hälfte ein: Sie überzeugt beim amüsant-clownesken Einzug der Kommunarden, sie bewährt sich im unbeschwerten Kommunenalltag. Den finsteren Momenten des Zusammenseins bleibt sie jedoch einiges an Spannung schuldig.
Theater
Die Kommune
Von Thomas Vinterberg (auch
Regie) und Mogens Rukov
Akademietheater
Wh.: 19., 25. September