Ziemlich am Beginn von Stanisław Lems "Solaris" passiert etwas Seltsames. Es wirkt trivial. Und hat für den Roman keine Konsequenz. Doch es hat Witz: Kris Kelvin, etliche Lichtjahre von der Erde entfernt, soeben auf der Raumstation über dem Planeten Solaris angekommen, hat unabsichtlich - seinen Haustorschlüssel mit. Eigentlich irrelevant. Aber es steht dann doch emblematisch für den Kontrast, den Lem auch in diesem Buch durchspielt: zwischen trivialem Menschsein und den Wundern von Wissenschaft und Kosmos. Dass aus dem reichen Oeuvre des Polen ausgerechnet "Solaris" (1961) den meisten Nachhall fand, ist einer reichen Anlage als Wissenschaftssatire, Philosophie- und Abenteuerroman zu verdanken - aber ebenso einem profanen Umstand: dass Lem hier ausnahmsweise auch eine Liebesgeschichte erzählt. 1972 lieferte der Russe Andrei Tarkowski eine Verfilmung, 2002 setzte Hollywood seinen Feschak George Clooney ins Raumschiff. Nun also die Bregenzer Festspiele: "Solaris", die Oper - im Prinzip ist das eine Verheißung: Der raffiniert irritierende Roman, er müsste gerade bei der Neuen Musik mit ihrem Faible für die Entfremdung gut aufgehoben sein.

Händeringen und Theaterblutschwitzen

Jedoch: Sehr modern will sich diese Uraufführung nicht geben. Librettist Reinhard Palm hat "Solaris" auf eine gut zweistündige Guided Tour verknappt, die vor allem sehenswürdige Aktion bieten mag. Die Handlung? Fast vollständig an Bord; die Grübeleien aber sind weitgehend futsch. Hier Kelvin, der auf der verwüsteten Station landet; da die rätselhaften Eindringlinge: Wiedergänger aus schmerzlichen Lebenserinnerungen sind es, die den Astronauten zusetzen. Das führt im Festspielhaus zu reichlich Händeringen und Theaterblutschwitzen. Und: In bester Hollywood-Manier spielt die Liaison zwischen Kelvin und der eigentlich (und bald wieder) toten Geliebten die erste Pathosgeige.

Man hätte freilich auch die Solaris zur Hauptdarstellerin adeln können: Es ist der denkende Plasma-Ozean unter den Füßen der Astronauten, der ihnen das Danaergeschenk der Phantomwesen macht. Doch will der große Unbekannte damit peinigen? Experimentieren? Kontakt aufnehmen? Niemand kann es wissen. Mit dieser Ohnmacht endet Lems Roman - ebenso wie das Schwesternwerk "Der Unbesiegbare".

Librettist Palm sieht die Sache jedoch anders: Bei ihm meldet sich die Solaris ab und zu mit seltsamen Gesängen zu Wort. Menschenworte sind es, die der Chor singt. Lernt der Ozean also doch noch Deutsch? Wer weiß. Werktreu bleibt Palm dafür bei Lems schönsten Sätzen. Wie Rosinen hat er sie herausgepickt, damit aber ihres Umfelds enthoben. Wenn der Opernheld Kelvin zuletzt pathetisch einen Gott von beschränkter Allmacht besingt, bleibt das für den Hörer ebenso rätselhaft wie der schöpferische Ozean für die Astronauten. Da hätte es als Schlussnummer auch David Bowies "Space Oddity" getan. Bringt auch großes Gefühl.