Filigrane Schönheit dominiert den höfischen Tanz der Khmer. - © Künstler
Filigrane Schönheit dominiert den höfischen Tanz der Khmer. - © Künstler

Wien/Innsbruck. Ihre Körper sind außergewöhnlich zart, ihre Bewegungen weich und fließend. Ein geheimnisvolles Lächeln umspielt ihre ebenmäßigen Gesichter. Ihre Schrittfolgen sind aufeinanderfolgende Positionen, die niemals abrupt wechseln. Jedes Detail hat Bedeutung, wird getanzt, um intensive Dramatik aufzubauen. Das erinnert an den hierzulande bekannten Indischen Tanz, doch vom Tanz der Apsaras ist hier die Rede.

Die Apsaras galten in Kambodscha und dessen Königshof als himmlische Nymphen, die Mittlerinnen zwischen Himmel und Erde, die göttlichen Status erhielten. "An den Wänden der Tempel der Khmer sind bereits Darstellungen der Apsaras zu sehen", so Prinzessin Norodom Buppha Devi, die ehemalige Vortänzerin des sogenannten Königlichen Balletts und Kulturministerin, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Daraus könne man schließen, dass diese Tänze im 10. oder 11. Jahrhundert, oder sogar noch früher, entstanden sind. Die mythischen Skulpturen der Apsara-Tänzerinnen sind in der Architektur des Königreiches von Angkor - das seine Blütezeit unter der Herrschaft von Jayavarman II. (770-850) erlebte - verankert: "Jeder Tempel wurde errichtet, um einen oder mehrere Göttern zu verehren. Die Gottesdienste bestanden aus heiligen Tänzen zur Lobpreisung jener Götter", so die Prinzessin.

4000 Grundpositionen


Mit mehr als 4000 Positionen erzählten Tänze zur Zeit der Angkor-Periode - kunstgeschichtlich ist der Stil von Angkor in der Periode 875 bis 1175 angesiedelt - Interpretationen der indischen Epen. "Obwohl das Ramayana das Hauptepos ist, das vom Ballet Royal getanzt wird, gibt es eigene Geschichten über Kambodscha selbst", beschreibt Norodom Buppha Devi den inhaltlichen Schwerpunkt. Aber eine gewisse Ähnlichkeit zum Indischen Tanz ist vorhanden? "Der Tanz der Khmer ist sehr speziell, ohne jede Vergleichsmöglichkeit. Trotz seines indischen Ursprungs hat sich dieser Tanz individualisiert. Im Lauf der Zeit wurde er aber vergessen", so die Kulturministerin.

Terrorregime Pol Pots


Ein wesentlicher Grund dafür: das Terrorregime der Roten Khmer (1975-1978) unter Pol Pot. Der Tanz der himmlischen Nymphen wurde verboten, 90 Prozent der Tänzerinnen und der Musiker ermordet oder in Lager deportiert. "Das Regime hat alle Personen, die verdächtigt wurden, einem alten Regime anzugehören, beseitigt. Die Tänzerinnen und Musiker sowie Lehrer und Religiöse wurden als nutzlos für die Gesellschaft betrachtet. Die Rote Khmer wollte eine neue, von allen früheren Traditionen gereinigte Gesellschaft erschaffen", beschreibt die Prinzessin die Schreckensherrschaft, die zwei Millionen Kambodschanern das Leben kostete. Eine couragierte Tanzlehrerin, Theay, konnte ihre Sammlung an 200 Tanzpartituren in einem Internierungslager verstecken, und "der Tanz der Apsaras, der uns heute bekannt ist, wurde anhand der überlieferten Zeichen von meiner Großmutter, ihrer Majestät der Königin Sisowath Kossomak Nearirath, in den 1950er Jahren einstudiert". Prinzessin Buppha Devi hat ihn dann zum ersten Mal getanzt. "Vor den 1970er Jahren stand das Ballet Royal unter der Schirmherrschaft des Königs oder der Königin. Die jungen Mädchen stammten von Mitgliedern der königlichen Familie ab oder vom Hof des Herrschers", sagt die Kulturministerin.

Heutzutage stammen die meisten Tänzerinnen aus Künstler-, Musiker- oder Tänzerfamilien. Der Unterricht beginnt in einem sehr frühen Alter: mit sechs Jahren in Form von Lockerungsübungen (Dehnungsübungen) und dem Erlernen der unzähligen Grundbewegungen. Der klassische Tanz sowie alle weiteren Formen künstlerischen Ausdrucks werden heute an der Königlichen Universität für Schöne Künste unterrichtet. "Wir wünschen uns, dass der klassische Tanz der Khmer mehr in den Ländern, in welchen er noch nie zuvor aufgeführt wurde, bekannt wird. Wie eben jetzt in Österreich", so Buppha Devi. Denn der Tanz der Apsara sei Teil eines universellen Kulturerbes und gehöre nicht ausschließlich zu Kambodscha. Die Unesco hat die Einzigartigkeit dieser Tänze 2003 gewürdigt und zum immateriellen Weltkulturerbe der Menschheit erklärt.