Die "Meistersinger", inszeniert als düstere Kasperliade. - © Rittershaus
Die "Meistersinger", inszeniert als düstere Kasperliade. - © Rittershaus

Man dürfe Wagner einfach nicht zu ernst nehmen, erklärte David Alden vorab in einem Interview, und tatsächlich kaspert sich der rastlose Brite veritabel durch die drei langen Aufzüge von Richard Wagners komischer Oper. So durchgeistern etwa Statisten mit riesigen, geschwollenen Pappköpfen die Szenerie. Sie sollen wohl eine bis zur Groteske verzerrte Künstlergilde darstellen. Die "echten" Meister sind allerdings auch eher merkwürdig, sie basteln an Musikinstrumenten, wippen und tänzeln. Alden zeigt hier reine Karikaturen, die manchmal aber zu (Alb-)Traumfiguren mutieren, welche vor allem den verschlagenen Sixtus Beckmesser (exzellent: Adrian Eröd) heimsuchen.

Beckmesser wirkt ebenfalls äußerst seltsam, sein finales Preislied singt er zum Teil aus einem Krankenbett heraus - erst trägt er ein Glitzerkleid, dann Strapse. Demgegenüber ist Walther von Stolzing (mit edlem Timbre: Roberto Saccà) ein harmloser Geselle, obwohl er am Ende in lohen- grinhafter Ritterrüstung auftritt und mit seiner Eva (ein akustischer und optischer Genuss: Agneta Eichenholz) wohl für immer der Dorfgemeinschaft entschwindet.

Welcher Dorfgemeinschaft? Nun, David Alden inszeniert kein Butzenscheiben-Nürnberg, Gideon Daveys Bühne ist geradezu nüchtern. Erst sieht man eine Art Beerdigungsgesellschaft in rabenschwarzen Kostümen, sie duckt sich unter einem gigantischen Kruzifix. Später erscheinen grimmige Mitglieder von Burschenschaften und allerhand überdrehte Weibersleut‘. Der Spielort bleibt eher abstrakt, Sachs‘ Schusterstube hat Schuhkartonwände. Aus dem erst schlampig gekleideten Handwerker wird zum Finale ein rot gewandeter Geck, dessen Liebes- und Lebensenttäuschungen in seinen ausufernden, nationalistischen Frustmonolog münden, den Alden allerdings nicht weiter kommentieren mag. Der Nachtwächter erscheint als Sensenmann, überhaupt entrückt die Regie das überwiegend heitere Stück immer wieder ins Nachtschwarze. Auf der Festwiese tauchen verkorkste (aber sehr lebendige) Stephan- Balkenhol-Skulpturen auf, dazu wird Fake-Bier getrunken, werden Plastik-Hendl verspeist - Künstlichkeit herrscht vor Kunst.

Auch Marc Albrecht am Pult des Nederlands Philharmonisch Orkest interessiert sich vor allem für die dunkleren Farben, gelegentlich entgleitet ihm dabei mal das eine oder andere Detail, die Prügelfuge gerät wirklich völlig außer Rand und Band.

Die "Meistersinger" wurden im Muziektheater gegeben und eröffneten gemeinsam mit Michael van der Aas Multimediaspektakel "Sunken Garden" in der Stadsschouwburg das diesjährige Holland Festival. "Sunken Garden" erzählt die tragische Geschichte vom Verlust eines Kindes, Schuldgefühlen und dem sich Verirren in (virtuellen) Welten. Gediegen atmosphärisch klingt van der Aas Musik, spektakulär ist die visuelle Umsetzung: mittels 3D-Brillen wird das Publikum direkt ins Geschehen einbezogen und was bisher meist nur im Kino zu erleben war, hat nun - endlich - auch die Opernbühne erobert.