Diese Frau wirft so schnell nichts um. Mit erhobenem Haupt, festem Blick und durchgestrecktem Rücken steht sie auf der nachtschwarzen, leer geräumten Bühne der Josefstadt, wie festverwurzelt mit dem Bühnenboden, mit bleistiftdünnen, zentimeterhohen Stöckeln. Diese Frau steht alles durch. Filumena Marturano, die neapolitanische Hure in mittleren Jahren, wird von Sandra Cervik mit Grandezza verkörpert.

Eduardo De Filippos volkstümliches Stück "Hochzeit auf Italienisch - Filumena Marturano", 1946 in Neapel uraufgeführt, erwies sich vom Fleck weg als Publikumsrenner. 1964 verfilmte Vittorio De Sica, einer der prägenden Regisseure des italienischen Neo-Realismus, den Stoff mit Sophia Loren und Marcello Mastroianni in den Hauptrollen; die vielfach ausgezeichnete Adaption brachte Loren eine Oscar-Nominierung ein. In jüngster Zeit ist das Stück, wohl der verstaubten Mann-Frau-Konstellation wegen, von den Spielplänen verschwunden. In der Josefstadt hat Thomas Birkmeir, Leiter des Theaters der Jugend, die unverwüstliche Tragikomödie nun griffig in Szene gesetzt.

Tragisches Leben leichtfüßig erzählt

Das Stück verhandelt Filumena Marturanos tragische Lebensgeschichte auf leichtfüßige Weise: Vor 25 Jahren lernte die bettelarme Filumena, damals 17, den wohlhabenden Domenico (Herbert Föttinger) kennen. Sie: eine Prostituierte. Er: ihr bester Kunde. Als der alternde Lebemann in Erwägung zieht, eine junge Geliebte (Hilde Dalik) zu ehelichen, gibt Filumena vor, im Sterben zu liegen - und erzwingt so die ersehnte Heirat. Schließlich konfrontiert sie ihn mit ihren drei Söhnen, die sie lange verheimlicht hat. Die krause Liebesgeschichte des Paares wird auf der Bühne der Josefstadt in Rückblenden aufgerollt. Die häufigen Orts- und Szenenwechsel arrangiert Birkmeir auf der kargen Bühne (Christoph Schubiger) mit Hilfe von schwarzen Schiebewänden und wenigen Requisiten. Die Kostüme (Irmgard Kersting) schwelgen im Süditalien-Klischee: geblümte Negligés, verwaschene Hauskleider und graue Anzüge, die Frisuren zerrauft. Domenico ist ein bindungsscheuer Junggeselle, Filumena viele Jahre lang die ideale Dauergeliebte: Domenico hat sie aus dem Puff geholt, seitdem führt sie ihm den Haushalt, managt seine Geschäfte, pflegt die senile Mutter - während der notorische Schürzenjäger seinen Affären nachgeht.

Dass die derb machohaft angeschnittene Beziehungskiste auf der Bühne dennoch aufgeht, ist dem überzeugenden Zusammenspiel von Sandra Cervik und Herbert Föttinger zu verdanken, bekanntlich auch privat ein Paar. Ihre Schreiduelle und Handgreiflichkeiten, Flüsterworte und Umarmungen nimmt man ihnen gern ab. Cervik ist das Epizentrum der zweieinhalbstündigen Aufführung, ihre darstellerische Bandbreite beachtlich - Aufruhr und Ruhe, Tragik und Komik sind bei ihr zuweilen einen Hüftschwung und einen Wimpernschlag entfernt. Die naive Verliebtheit einer 17-Jährigen vermag die Schauspielerin ebenso glaubhaft darzustellen wie die frühen Enttäuschungen einer jungen Mutter sowie die gereifte Zuneigung einer Frau mittleren Alters. Auch Föttinger läuft zur Hochform auf, wenn er sich - wie im zweiten Teil - von einem Wutanfall zum nächsten hangeln kann.

"Hochzeit auf Italienisch", die Hure mit dem großen Herz, die den eingefleischten Macho letztlich bezwingt - eine uralte Geschichte, nicht neu, aber erfrischend erzählt.