Patrice Chéreau ist am Montag in Paris gestorben. Der französische Regisseur und Schauspieler, der vor allem das Musiktheater auf ein bis dahin nie gekanntes Niveau der Darstellung hob, litt an Lungenkrebs.

Chéreau, am 2. November 1944 in Lézign geboren, fiel bereits als Jugendlicher in seinem späteren Beruf auf: Seine Arbeiten als Regisseur, Schauspieler und Bühnenbildner des Amateurtheaters seines Pariser Gymnasiums stempelten ihn zum Theaterwunderkind. Im Alter von 19 Jahren inszenierte er erstmals an professionellen Theatern. 1966 baute er im Pariser Vorort Sartrouville ein "engagiertes Volkstheater" auf. Ab 1970 arbeitete er mit Giorgio Strehlers Mailänder Piccolo Teatro.

Das Ende der Übermenschen

Chéreaus große Stunde kam 1976, als der für die Regie des Bayreuther 100-Jahr-Jubiläums-"Ring" engagierte Peter Stein Veränderungen in der Szenenfolge von Richard Wagners Tetralogie vornehmen wollte. Dirigent Pierre Boulez lehnte einen solchen Eingriff in die Dramaturgie und damit auch in den musikalischen Fluss kategorisch ab und schlug vor, Stein durch den in Deutschland praktisch unbekannten Patrice Chéreau zu ersetzen. Das Ergebnis war ein legendärer Theaterskandal, den rückwärtsgerichtete Wagnerianer verursachten, während Chéreaus hellsichtige Deutung anderen die Augen öffnete.

Chéreau verlegte den germanischen Mythos in das frühkapitalistische Deutschland. Chéreau beseitigte das germanisierende Übermenschentum, seine Wagner-Helden starben keinen Heldentod, sie krepierten unter Schmerzen und Qualen. Seine Götter waren Industrielle mit deutlichen Verweisen auf Krupp. Und er wagte es, Mime als antisemitische Karikatur Wagners zu entlarven. Alle diese Details nützte er, um mit ungeschminkter Deutlichkeit zu zeigen, wie die Gier nach Macht zwischenmenschliche Gefühle manipuliert und unterminiert.

Dennoch gab es auch Zärtlichkeit und Poesie, oft von großer Leichtigkeit und Verspieltheit, heruntergetaktet freilich auch sie auf menschliches und somit berührendes Niveau. Es war eine Inszenierung für ein gebildetes Publikum, das mit den Zitaten etwas anfangen konnte, und für ein Publikum, das bereit war, sich der Poesie und Magie dieses so klugen wie bildmächtigen Theaters hinzugeben. Damit fegte Chéreau alles weg, was in "Ring"-Deutungen an übermenschentümelndem Nazismus übrig und einem Teil des Publikums – jenem, das mit Schreien, Kreischen und Trillerpfeifen seinen Unmut bekundete – durchaus immer noch lieb und wert war.